Der Sohn des Kreuzfahrers
führte und sie bat zu warten. Der Mönch forderte sie auf, sich zu setzten und deutete auf eine Holzbank; dann drehte er sich um, öffnete eine Tür und wollte hindurchgehen. Murdo jedoch sprang eilig herbei und hielt die Tür auf. »Ich glaube, wir haben lange genug gewartet«, sagte er zu dem Mönch.
»Bitte! Bitte! Dies ist ein heiliger Ort. Ihr könnt nicht erzwingen.«
Murdo schob die Tür noch ein Stück weiter auf. »Kommst du, Mutter?«
Nachdem sie ihren Widerwillen gegen dieses Vorgehen überwunden hatte, gesellte sich Niamh zu ihrem Sohn. »Ja, ich glaube, wir haben wirklich lange genug gewartet«, sagte sie dem Mönch. An ihren Sohn gewandt flüsterte sie: »Sei vorsichtig, Murdo«, und warf ihm einen warnenden Blick zu, als sie an ihm vorüberging.
Sie betraten eine lange, dunkle Zelle. Ein einzelnes schmales Fenster hoch in der Wand ließ nur wenig Licht herein; ansonsten erhellten nur einige wenige, in unregelmäßigen Abständen verstreute Kerzen den Raum. An einem großen Tisch unter dem Fenster arbeiteten fünf oder sechs Kleriker; kurz blickten sie auf, als die Besucher den Raum betraten, doch sofort wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie waren damit beschäftigt, Federkiele zu spitzen, und für Murdo hörte es sich an wie das Kratzen von Ratten in den dunklen Ecken einer Scheune. In seinen Augen besaßen die braunge-wandeten Kleriker mit ihren stoppeligen, halbgeschorenen Köpfen und den kleinen zusammengekniffenen Augen ohnehin eine gewisse Ähnlichkeit mit Ungeziefer.
»Wo ist der Bischof?« fragte Murdo, und seine Stimme hallte laut durch den Raum. »Wir wollen ihn sprechen. Jetzt!«
Der Mönch antwortete nicht, doch sein Blick schweifte zu einer von zwei Türen am anderen Ende des Raums. »Ist er dort drin?« fragte Murdo auf halbem Weg zur Tür. Er hob den Riegel und stieß sie auf, noch bevor der Mönch ihn davon abhalten konnte. Als er den dahinterliegenden Raum betrat, sah er einen Kirchenmann hinter einem mit Schriftrollen beladenen Tisch. Der Mann war über seine Arbeit gebeugt und blickte auf, als Murdo vor ihn trat.
»Ah, der junge Ranulfson, nicht wahr?« sagte Abt Gerardus mit ruhiger Stimme. Er wirkte weder überrascht noch besorgt.
Murdo runzelte die Stirn. Der kriecherische Abt war der Letzte, mit dem er sich im Augenblick unterhalten wollte. »Wir sind gekommen, um mit dem Bischof zu sprechen«, erklärte er dem Abt kalt. »Wo ist er?«
»Wir?« fragte der Abt und lächelte selbstgefällig.
»Meine Mutter und ich.«, begann Murdo und deutete hinter sich. Den aufgebrachten Mönch auf den Fersen betrat Frau Niamh den Raum.
»Es tut mir wirklich leid, Ehrwürden. Sie wollten nicht warten, und ich.«, begann der Mönch, doch der Abt brachte ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen.
»Macht Euch keine Sorgen, Bruder Gerald«, sagte der Abt und stand auf. »Sie sind nun einmal hier; also werde ich mich um sie kümmern.«
»Es ist der Bischof, den wir sehen wollen«, wiederholte Murdo.
»Das kommt im Augenblick etwas ungelegen«, antwortete der Abt und blickte Murdo streng an. »Wenn Ihr vielleicht eine entsprechende Anfrage stellen würdet.«
»Wir kommen nun schon seit fünf Wochen hierher!« unterbrach ihn Murdo. »Jedesmal haben wir eine entsprechende Anfrage< gestellt, und jedesmal haben wir gewartet und gewartet und mußten schließlich gehen, ohne auch nur eine Menschenseele gesehen zu haben! Diesmal jedoch werden wir den Bischof sehen. Es ist mir egal, wie >ungelegen< es im Augenblick auch sein mag!«
Dem Abt sträubten sich die Nackenhaare. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und er funkelte den jungen Mann vor ihm mit unverhohlener Verachtung an.
»Abt Gerardus«, meldete sich Frau Niamh zu Wort und trat rasch einen Schritt vor, »ich bitte Euch, das schlechte Benehmen meines Sohnes zu entschuldigen. Vor lauter Ungeduld hat er sich wohl vergessen.«
»Selbstverständlich, Frau Niamh«, sagte der Abt und verbeugte sich knapp. Sofort verwandelte er sich wieder in einen gewöhnlichen, zurückhaltenden Kirchenmann. »Ich bin Euer Diener. Wie kann ich Euch behilflich sein?«
»Es ist, wie mein Sohn gesagt hat: Wir sind gekommen, um mit dem Bischof zu sprechen, und angesichts unserer früheren vergeblichen Versuche muß ich darauf bestehen, noch heute zu ihm geführt zu werden.«
»Dann fürchte ich, werde ich Euch erneut enttäuschen müssen«, antwortete der Abt und zuckte hilflos mit den Schultern, als wolle er damit sagen, die
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