Der Sohn des Kreuzfahrers
erleuchten.« Dann berichtete er dem in Ungnade gefallenen Edelmann von dem Aufruhr und dem Angriff auf den Marktplatz und verlangte zu wissen: »Wo warst du, als deine Männer den Frieden und die Freundschaft zwischen unseren Völkern gebrochen haben?«
»Uns sind die Vorräte ausgegangen«, antwortete der Herzog und versuchte, sich herauszureden. »Die Leute waren hungrig - sie sind am Verhungern. Seit Wochen hatten sie nichts außer altem Brot.«
»Frische Vorräte warten auf deine Männer, wie du sehr wohl weißt«, erinnerte ihn der Kaiser. »Ihr müßt mir nur den Treueid schwören, und ihr bekommt soviel Proviant wie ihr wollt.« Nachdem er seinem Zorn Luft gemacht hatte, wandte sich Alexios dem eigentlichen Grund seines Hierseins zu. »Dieser Tag«, sagte er in versöhnlichem Tonfall, »ist der Tag, den Wir für die Unterzeichnung des Treueids bestimmt haben. Wir warten auf eure Anwort. Wie lautet sie?«
Gottfried blickte auf die kaiserlichen Truppen, die vor ihm aufmarschiert waren, und zögerte. Plötzlich stürmte Balduin von hinten heran. »Diese Forderung ist eine Beleidigung!« schrie er. »Ich sage, wir unterzeichnen nicht!«
Alexios blickte ihn leidenschaftslos an. »Gebt Uns eure Treue, oder gebt Uns euer Leben. Die Wahl liegt bei euch, meine Freunde, aber noch bevor dieser Tag zu Ende geht, werden Wir das eine oder das andere bekommen.«
»Zum Teufel mit deinem Eid!« kreischte Balduin und zog das Schwert. Mehrere der Ritter riefen ihm Mut zu. Überall wurden Schwerter aus den Scheiden gezogen.
»Sei ruhig, Balduin!« brüllte sein Bruder. »Steck dein Schwert weg. Wir werden der Aufforderung des Kaisers nachkommen.« An Ale-xios gewandt sagte er: »Der Angriff auf den Markt war unüberlegt. Bei meiner Ehre schwöre ich, daß jene, die ihn angeführt haben, bestraft werden.« Sein Blick wanderte unglücklich von Balduin zu einigen der Ritter in den vordersten Linien, die mit einem Mal sehr ruhig geworden waren. »Wir bedauern zutiefst die Zerstörung und die Verluste, und wie Ihr wünscht, werden wir entsprechende Entschädigung leisten.«
»Wir mahnen euch, großzügig zu sein«, sagte Alexios, »denn so wie ihr richtet, sollt auch ihr gerichtet werden.«
»So soll es sein«, erwiderte Gottfried. »Des weiteren stehen wir bereit, den Treueid zu unterzeichnen - wann immer und wo immer Ihr wünscht.«
»So soll es sein«, echote der Kaiser. »Wir wünschen, daß er hier und jetzt unterzeichnet werde.« Er streckte die Hand nach Dalas-senos aus, der ihm daraufhin das Pergament gab, welches Alexios entfaltete. »Kommt her«, befahl er den Brüdern; sie stiegen vom Pferd und traten vor ihn.
»Lest es vor«, befahl der Kaiser.
Widerwillig las Gottfried den Eid und versprach, Alexios die Treue zu halten und seine oberste Autorität in allen Fragen anzuerkennen, die das Reich und seine Bewohner betrafen. Des weiteren schwor er, alles ehemalige Eigentum des Reiches - seien es Länder, Städte oder heilige Reliquien -, in deren Besitz die Kreuzfahrer während der Pilgerfahrt gelangen würden, der Obhut des Kaisers zu übergeben.
Nachdem Gottfried den Eid vorgelesen hatte, holte Dalassenos einen Federkiel und ein Faß mit roter Tinte hervor und gab beides dem Herzog.
Mit finsterem Blick tauchte Gottfried den Federkiel ins Tintenfaß und schrieb trotzig seinen Namen. Dann reichte er Dokument und Feder seinem Bruder und sagte: »Setz deinen Namen unter meinen, lieber Bruder, und wir wollen uns daran erinnern, daß wir hierhergekommen sind, um die Ungläubigen zu bekämpfen und nicht unsere Freunde.«
Beim letzten Wort schnaufte Balduin verächtlich, aber er unterschrieb und gab anschließend dem Kaiser das Dokument voller Zorn zurück. Alexios begutachtete die Unterschriften; dann reichte er das Dokument dem Drungarios zur Aufbewahrung.
»Der versprochene Proviant wird euch sofort zukommen«, informierte der Kaiser die beiden Fürsten. »In wenigen Tagen erwarten wir die Ankunft von Fürst Bohemund von Tarent, der ebenfalls den Treueid unterzeichnen wird. Wenn diese Formalität erledigt ist, werden wir uns alle gemeinsam treffen, um die Einzelheiten der Verschiffung eurer Männer, Pferde und Versorgungsgüter über den Bosporus zu besprechen.« Er hielt kurz inne, um den beiden Gelegenheit zu geben, die Bedeutung seiner Worte zu begreifen; dann fahr er fort: »Da ihr nicht mehr lange in Konstantinopel weilen werdet, wünschen Wir, daß ihr Gelegenheit bekommt, die Schönheit und die Schätze der
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