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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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gesehen, aber viel von ihnen gehört. Es hieß, sie opferten Strydh ein Auge als Zeichen ihrer Hingabe und Treue, und es hieß, dass sie keine Furcht kannten und in der Schlacht den Kriegern vorangingen.
Der Streitwagen hielt unter dem Torbogen. Eine Windböe ließ das Gewand Malk Numurs flattern. Awin fand bei ihm keine große Ähnlichkeit mit Malk Iddin. Seine Augen flackerten unruhig. Er hat Angst, dachte Awin, er weiß noch nicht, wie dieser Tag enden wird. Der neue Herr der Stadt starrte auf den Leichnam, der immer noch auf dem Rücken des Hakul-Pferdes lag. Der Priester trat vor den Wagen. »So nehmt ihn doch herunter, ihr Männer!«, rief er. »Der tote Malk soll die Stadt, die ihn mehr liebte als er sie, nicht auf diese Art betreten.«
    Malk Numur sprang vom Streitwagen. Er konnte seine Augen nicht von dem leblosen Körper wenden. »Wir waren oft unterschiedlicher Ansicht, Iddin, aber es schmerzt mich tief in meiner Seele, dass du tot bist, geliebter Bruder.«
    Awin fand, dass er zu dick auftrug. Jedem seiner Worte war anzuhören, dass er seine Trauer nur heuchelte. Vier Speerträger waren unterdessen herangeeilt und hatten den toten Malk vom Pferd genommen. »Auf den Schild«, befahl der Abeq. »Die Menschen unserer Stadt sollen sehen, dass wir ihm mehr Ehre erweisen, als ihm zusteht.«
    Die Speerträger gehorchten und legten den Leichnam auf einen der großen Schilde. Zu viert trugen sie ihn durch das Tor. Malk Numur hielt sie kurz an. Er sah seinem Bruder ins Gesicht, strich ihm mit beinahe zärtlicher Geste die Haare aus dem Antlitz. »Weh mir, guter Bruder, dass du mich nun mit der schweren Bürde der Herrschaft über diese Stadt alleine lässt. Ich habe dir angeboten, gemeinsam zu herrschen. Die Hüter werden wissen, was dich bewog, dieses Angebot abzulehnen und Krieger zum Überfall auf mich anzustiften.« Er sprach laut, um den Wind zu übertönen, der durch das offene Tor pfiff, so laut, dass es die Männer hinter dem Tor gut hören konnten. Dann warf er dem Priester einen unsicheren Blick zu. Der hagere Abeq nickte und wandte sich nun an Yaman Aryak. »Ich danke dir, dass du den
geliebten Sohn unseres Raik in die Stadt gebracht hast, Yaman Aryak, doch muss ich dich fragen, ob es deine Krieger waren, die ihn töteten.«
    »Ich habe dich in der Großen Halle gesehen, doch weiß ich deinen Namen nicht, Priester«, antwortete der Yaman ruhig.
    »Ich bin Mahas, Abeq Abeqai des Strydh in dieser Stadt«, lautete die stolze Antwort.
    »In der vergangenen Nacht, Abeq Mahas, fielen meine beiden ältesten Söhne durch die Hand jenes Mannes, den wir hierher verfolgt haben. Du hast sie gesehen, Ebu und Ech, Stolz und Hoffnung meiner Sippe.« Aryak sprach sehr ruhig. »An ebenjener Stelle fanden wir auch Malk Iddin. Er starb durch dieselbe Hand, die Hand des Mannes, für den Malk Numur sich gestern noch verbürgt hat.«
    »Du musst dich täuschen, Yaman!«, antwortete der Priester schnell.
    Aryak schüttelte finster den Kopf. »Wir wissen, was wir wissen, Mahas. Wir haben es gesehen.«
    Zu Awins Überraschung lief Numur rot an. Er schien seine Gefühle nicht sehr gut im Griff zu haben. »Wenn er es war, dann hat er mich ebenso getäuscht wie euch, Hakul, und mein Verlust ist ebenso groß wie der deine!«, rief er.
    Yaman Aryak richtete sich im Sattel auf und blitzte Numur zornig an. »Mir sind zwei geliebte Söhne geraubt worden, dir ein Verwandter, der dir mehr Feind als Bruder war. Wage nicht, das auf eine Stufe zu stellen, Akkesch!«
    Die Krieger hinter dem Tor wurden unruhig. Offenbar waren sie es nicht gewohnt, dass man so mit ihrem Herrn sprach.
    Abeq Mahas hob die Hand. »Ruhig, ihr Tapferen. Es ist nur der Schmerz, der dem Hakul die Sinne trübt. Und wer von uns könnte das nicht verstehen? Haben doch auch wir heute viele Verluste zu beklagen.«

    »Ich sehe, wie sehr du dich grämst«, spottete Curru gallig. Die ganze Zeit schon hatte er unruhig im Sattel gesessen, nun hielt er es offenbar nicht mehr aus.
    »Was weißt du schon, Seher!«, schleuderte ihm der alte Abeq entgegen. »Glaubst du, wir haben gerne gegen unsere Brüder die Waffen erhoben? Doch ließen unsere Feinde uns keine Wahl. Iddin nicht, dessen Männer uns letzte Nacht töten wollten, und Immit Schaduk nicht, der die Herrschaft über die Stadt an sich reißen wollte und plante, Malk Numur nach der Beisetzung unseres Raik zu ermorden!«
    Ein Raunen lief durch die Reihen der Akkesch-Krieger, und Awin begriff, dass der Abeq mehr zu diesen

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