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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Herz schlug bis zum Hals. Heredhan Horket hatte einst seinen Klan vernichtet. Er war froh, dass der Sandschal sein Gesicht und damit auch seine Gefühle verbarg. Hass spürte er - und Angst. Was würde Horket tun, wenn er erfuhr, dass der Klan der Schwarzen Dornen, den zu tilgen er geschworen hatte, doch nicht völlig ausgelöscht war? Dann darf er es eben nicht erfahren , mahnte seine innere Stimme. Und wenn der Yaman Haltung bewahren kann, dann kannst du das auch.
    Heredhan Horket war groß und breitschultrig, und er thronte auf einem mächtigen Grauschimmel. So überragte er sie alle um eine Haupteslänge. Als sie näher gekommen waren, nahmen sie ihre Sandschals ab, wie es die Höflichkeit gebot. Horkets Gesicht war von drei tiefen Narben gezeichnet. Dieser Mann hatte für seinen Rang viele Kämpfe ausgetragen, das sah Awin sofort. Er musterte sie stumm und erwartete ihren Gruß. Aryak ließ sich Zeit. Natürlich war es an ihm, den ranghöchsten Fürsten der Schwarzen Hakul zuerst zu grüßen, aber offenbar wollte er nicht zu ehrerbietig erscheinen. Awin betrachtete verstohlen die
Begleiter des Heredhans. Zu seiner Rechten wartete ein Mann, der Horket so ähnlich sah, dass Awin ihn für seinen Sohn hielt. Zur Linken des Heredhans saß ein schmächtiger Mann mit einem zu großen Kopf weit vornüber auf einem dürren Braunen. Er hatte tief liegende Augen, unter denen sich dunkel verfärbte Ringe zeigten. Der Mann sah aus, als habe er viel erlebt, vielleicht zu viel, dachte Awin. Vermutlich war auch er ein Seher. Er hielt die Sgerlanze in der Hand. Das Sgertan des Grases, das unter drei schwarzen Rossschweifen befestigt war, war aus Eisen und größer als alle, die Awin bis dahin gesehen hatte.
    Schließlich sagte Yaman Aryak: »Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe?«
    Awin zuckte zusammen. Das war unverschämt. Aber dann begriff er, dass sein Klanoberhaupt den Heredhan mit Absicht reizte. Er wollte klarmachen, dass er sich nicht einschüchtern ließ. Awin sah, wie die Begleiter des Heredhans sich wütend strafften, aber Horket stockte nur für einen kurzen Augenblick der Atem, dann spielte ein Lächeln über seine Lippen.
    »Verzeih, Yaman, ich nahm an, das Sgertan des Schwarzen Grases sei auf allen Weiden bekannt. Ich ahnte nicht, dass ihr es nicht kennt. Ich bin Horket, Yaman des Klans des Grases, Heredhan der Schwarzen Hakul.«
    »Ich grüße dich, Yaman Horket. Ich bin Aryak, Yaman des Klans der Schwarzen Berge.«
    Wieder wurden die Begleiter des Heredhans unruhig, aber Horket ließ sich auch durch diese Spitze Aryaks nicht reizen. Awin verstand, dass Aryak seinen Standpunkt dargelegt hatte. Horket mochte sich Heredhan nennen, aber längst nicht alle Klans der Schwarzen Hakul schuldeten ihm Gehorsam.
    »Ich kenne dich, Yaman Aryak, dich und deinen Klan, so wie ich alle Yamane und Klans meines Stammes kenne. Ihr habt erst kürzlich meine Weiden gestreift, wie ich erfahren habe.«
Er sagte es freundlich, so als plaudere er am Lagerfeuer über die Jagd und die Zucht, aber er stellte damit unmissverständlich klar, dass er Bescheid wusste.
    »Es ist schwer, von den Schwarzen Bergen nach Süden zu reiten, ohne dein Land zu streifen. Dieses Land hier gehört jedoch nicht zu deinen Weiden, Yaman Horket«, erwiderte Aryak nach einer kurzen Pause.
    »Und nicht zu den deinen, wenn ich mich nicht irre. Sag, was führt dich und deinen Sger so weit fort von den Zwillingsquellen, so weit fort von Frauen und Kindern?«
    Die Zwillingsquellen? Horket wusste, wo sie ihre Zelte aufgeschlagen hatten? Awin schluckte. Er sah, dass auch sein Yaman beunruhigt war.
    »Wir jagen einen Feind, Yaman Horket, und unsere Frauen und Kinder stehen unter dem Schutz der Weißen Federn«, erklärte er betont ruhig.
    »Es ist mir neu, dass die Akkesch unsere Feinde sind, Aryak«, entgegnete Horket, »denn ich habe einen Vertrag mit ihnen geschlossen, und den hat jeder aus meinem Stamm zu beachten.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass unser Feind ein Akkesch ist, Yaman«, erwiderte Aryak.
    »Kein Akkesch, Aryak? Führst du deinen Sger vielleicht gegen andere Hakul?« Unvermittelt brach der Zorn bei Horket durch: »So wie gegen meinen Vetter Tolgon, den wir erschlagen am Dornbach fanden?«
    Ein Vetter? Awin wusste, dass es viel schlimmer nicht hätte kommen können. Sie hatten gehofft, dass der Mann nur irgendein Hirte aus dem großen Klan Horkets war - und nun war es ein Blutsverwandter.
    »Der Feind, den wir jagen, Horket, hat fünf der unseren

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