Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
Schicksalsfäden erkennen, die Tengwil webte - ja, es hieß, ein starker Seher könnte sie auch bitten, sie nach seinen Wünschen zu verweben. Jeder junge Hakul kannte die Geschichten von mächtigen Sehern, die Tengwil dazu brachten, ihre Feinde ins Verderben zu stürzen, und keiner wollte herausfinden, ob Curru das ebenfalls vermochte. Awin hatte seine Zweifel. Falls Curru dazu im Stande war, hatte er seinen Schüler noch nicht in dieser Kunst unterwiesen. »Kann ich dich etwas fragen, Meister Curru?«, bat er jetzt. Er hatte keineswegs vergessen, auf wessen Traum die Entscheidung des Yamans beruhte.
    Curru nickte würdevoll. »Natürlich, Awin. Komm, lass uns ein Stück gehen. Vielleicht finden wir ein Zeichen, das uns sagt, was die Große Weberin für diese vorlauten jungen Hakul bereithält.«
    Sie gingen ein Stück vom Feuer weg, die Sanddüne hinauf. Die Sonne war inzwischen untergegangen. Noch während der kurzen Nacht würden sie aufbrechen.
    »Skefer hat sich wieder erhoben«, stellte Curru fest.
    So war es auch. Awin spürte das Brennen in den Augen, das der Wind verursachte. Er wusste nicht, wie er beginnen sollte, aber sein Meister nahm ihm das ab.
    »Du fragst dich sicher, warum ich deinen Traum als den meinen ausgegeben habe, junger Freund.«
    Awin nickte.
    »Es geschah zu deinem Besten, Awin, auch wenn du es vielleicht nicht glaubst.«
    »Zu meinem Besten?«
    »Der Yaman hat immer noch große Zweifel an dir, was ich ihm nicht übel nehmen kann, wenn ich bedenke, wie du dich heute und gestern benommen hast. Und dieses Traumbild ist
mehr als ungewiss. Die Mauer von Serkesch hast du gesehen, ich habe sie gleich wiedererkannt, als du sie beschriebst.«
    »Wegen der grünen Höhle?«
    »Genau. Du kannst es nicht wissen, aber diese Stadt hat vier große Tore, jedes ist einem anderen der Hüter gewidmet und hat eine andere Farbe. Das Tor der Erdgöttin Hirth ist grün.«
    »Das habe ich verstanden«, erwiderte Awin. Er wollte sich nicht von dem Alten einwickeln lassen.
    »Du hättest es aber sicher nicht verstanden, wenn ich es dir nicht erklärt hätte, oder? Und - und das ist viel wichtiger - wir wissen nicht, was dieses Traumbild bedeutet. Es kann heißen, dass du eines Tages diese Stadt besuchen wirst. Vom Feind hast du doch nichts dort gesehen, oder?«
    »Nein, das nicht«, gab Awin zu.
    »Das macht mich auch sehr besorgt. Wenn du so willst, habe ich halb geraten, aber es ist das beste Zeichen, das wir gesehen haben. Ich glaube fast, der Feind steht mit der Slahan im Bunde. Ihre Winde zumindest sind gegen uns. Erst kommt Skefer, lässt den Kopf schmerzen und macht das Denken schwer, dann erhebt sich Nyet, verwischt alle Spuren und vertreibt die Geier vom Himmel.«
    Awin schwieg betroffen. Diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht in Betracht gezogen. War das überhaupt möglich? »Aber er ist doch nur ein Sterblicher - und sie eine Göttin!«, widersprach er.
    »Eine gefallene Göttin, nicht besser als eine Alfskrole!«, belehrte ihn Curru. Dann senkte er die Stimme. »Es ist seltsam, dass mir dieser Gedanke erst jetzt gekommen ist. Aber wäre es für Slahan, die Gefallene, nicht ein großer Sieg? Der Heolin geraubt - der Stein, der sie seit Jahrhunderten von unseren Zelten fernhält?«
    Awin verstummte. Eigentlich hatte Curru es doch nur so
dahingesagt, dass die Slahan mit dem Feind im Bunde stünde, so wie Hirten manchmal schimpfen, dass der Wind mit den Wölfen sei, wenn sie wieder ein Lamm gerissen hatten. Doch als der alte Seher es ausgesprochen hatte, hatten sie beide plötzlich gespürt, dass sie an eine Wahrheit rührten. Nein, das ist Unsinn, dachte Awin und schüttelte innerlich den Kopf über sich selbst. Er kannte die alten Geschichten von der immer dürstenden Slahan, die einst Kinder, Frauen und sogar Männer aus den Zelten geraubt hatte, um ihr Blut zu trinken, aber das waren nur Ammenmärchen. Beinahe hätte er sich von Curru anstecken lassen. Der alte Seher starrte nachdenklich in die Wüste hinaus. »Ja, die Wege der Götter sind unergründlich, junger Seher. Vielleicht fordern die Götter den Heolin zurück, denn schließlich hat Etys den Stein vor langer Zeit vom Sonnenwagen gestohlen.«
    »Das war eine große Tat, und er hat den Lichtstein mit seiner verbrannten Hand ausgelöst. Die Schuld ist bezahlt!«, widersprach Awin. Jetzt redete der Alte wirklich Unsinn. Edhil konnte doch nicht wollen, dass Slahan der Lichtstein in die Hände fiel. Außerdem - was sollte sie mit ihm anfangen?

Weitere Kostenlose Bücher