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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Jäger ihn hierher geführt, um über Horket zu sprechen?
    »Sag, Awin, Kawets Sohn, was ist das eigentlich zwischen dir und deinem Meister?«, fragte Mewe unvermittelt.
    »Meister Curru?«, entgegnete Awin ausweichend.
    »Ich bin nicht blind, mein Junge. Ich sehe, wie er jede Gelegenheit nutzt, dich und deine Fähigkeiten herabzusetzen. Erst heute am Grab. Du hast gut gesprochen, aber Lob hast du dafür nicht bekommen, oder?«
    »Er ist nicht zufrieden mit mir, Meister Mewe«, antwortete Awin vorsichtig.
    »Das habe ich bemerkt, und ich weiß nicht genug über eure heiligen Pflichten, um zu erkennen, ob er dich richtig beurteilt. Doch kommt es mir so vor, als würde er in letzter Zeit, wie soll ich es sagen, zunehmend strenger über dich richten, junger Seher.«
    »Strenger?«, fragte Awin. Er war einerseits erleichtert, dass er
nicht der Einzige war, der das so empfand, aber er wusste nicht, wie viel er dem Jäger sagen konnte. Er konnte doch seinen eigenen Ziehvater und Lehrer nicht vor anderen in Zweifel ziehen.
    Mewe blickte ihn nachdenklich an. »Ich sehe, du willst nicht darüber reden, junger Seher. Du sprichst nicht gegen deinen Meister, und das ehrt dich. Aber ich hoffe doch sehr, dass du deine Treue zu ihm nicht über die Pflicht gegenüber Sger und Klan stellst.«
    Awin erschrak, daran hatte er nun gar nicht gedacht. Curru hatte ihn zur Zurückhaltung gedrängt, weil sein Ansehen in der Sippe so schwach sei. Und nun sah er, dass er vielleicht genau dadurch noch weiter an Rückhalt verlor. So wie es aussah, steckte er zwischen zwei Mühlsteinen fest. Awin wusste, dass Mewe eine heilige Scheu vor allem hatte, was das Sehen betraf. Umso erstaunlicher war es, dass er ihn nun darauf angesprochen hatte. Es musste ihn sehr beschäftigen. Der Jäger schwieg und gab ihm damit Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Awin traf eine Entscheidung. »Ich … ich hatte einen Traum, Meister Mewe«, begann er vorsichtig.
    »Welcher Art?«, fragte der Jäger, als Awin stockte.
    Awin seufzte, und dann erzählte er Mewe von dem Sandloch, dem Südländer, dem versinkenden Pferd und Senis, die auch dort gewesen war, und er berichtete ihm von dem Gespräch mit Curru und wie unterschiedlich sie beide den Traum deuteten.
    Mewe hörte aufmerksam zu. Schließlich sagte er: »Ich weiß nicht, wer von euch beiden Recht hat. Uos Mund? Ein gefährlicher Weg. Für den Jäger ebenso wie für den Gejagten. Und nun ist es auch schon zu spät für uns, umzukehren. Von hier aus sind wir über die Eisenstraße genauso schnell in Serkesch wie durch die Slahan.« Mewe blickte nachdenklich in die Ferne. Dann sagte er leise: »Leider bin ich sicher, dass Curru in keinem Fall auf dich gehört hätte, junger Seher. Er ist stur geworden,
der Alte, und er kann sich wohl nicht einmal mehr vorstellen, dass auch er sich zu irren vermag. Ich werde den Yaman unterrichten. Keine Angst, dein Meister wird davon nichts erfahren, aber Aryak muss wissen, dass er Currus Urteil nicht mehr so blind vertrauen kann wie früher.«
    Als sie zum Lager zurückkehrten, wurde Awin zur Wache eingeteilt. Es hieß, dass es Löwen in dieser Gegend geben sollte. Aber der Yaman schärfte ihm und auch den anderen vor allem deshalb besondere Wachsamkeit ein, weil er damit rechnete, dass wenigstens eine der beiden Zauberinnen in dieser Nacht ins Lager kommen würde.
    »Aber was soll ich tun, wenn es so weit ist, ehrwürdiger Yaman?«, fragte Awin.
    »Mich wecken, mein Junge. Dann müssen wir sehen, was geschieht. Es gibt viel böses Blut in unserer Schar seit jenem unglücklichen Vorfall. Und entweder Meister Curru oder die Kariwa wird der Zorn unserer Krieger treffen - wenn wir es nicht verhindern.«
    Awins Wache verlief jedoch ohne jeden Zwischenfall. Nach seiner Ablösung fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Am Morgen erfuhr er zu seiner leisen Enttäuschung, dass Merege in der Nacht nicht erschienen war.
     
    Weit vor Sonnenaufgang saßen sie schon wieder im Sattel. Die Stimmung war immer noch gedrückt. Viele unausgesprochene Gedanken hingen schwer über ihrer Schar. Sie ritten im Trab, denn sie wollten die Morgenkühle nutzen, solange sie währte. Die steilen Felsen des Glutrückens lagen jetzt zu ihrer Rechten, und es hieß, es sei nicht mehr weit bis zur Eisenstraße. Plötzlich ließen die Yamane anhalten. Als der Staub sich gelegt hatte, spähte Awin nach vorn. Dort in einiger Entfernung war ein schwarzer Punkt über dem Sand zu sehen. Die Yamane besprachen
sich

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