Der Sohn des Sehers 01 - Nomade
mit uns reiten will«, meinte Harmin trocken.
Damit hatte er einen anderen Punkt angesprochen. Es war Zeit, die Schar aufzuteilen, denn sie hatten die Eisenstraße erreicht. Eine lange, glatte Linie zog sich durch die staubige Ebene. Awin hatte weit mehr von diesem sagenumwobenen Handelsweg erwartet als diesen unscheinbaren langen und breiten Pfad, der von ungezählten Lasttieren in den harten Boden getrampelt worden war. Zunächst wollte er auch gar nicht glauben, dass das wirklich die berühmte Straße war, aber Mewe wies ihn auf eine lange Reihe großer Steine hin, die als Wegmarken in regelmäßigen Abständen aus dem Boden ragten. Merege hatte sie auf so einem Stein erwartet. Noch etwas entdeckte Awin: In einiger Entfernung erhob sich etwas Dunkles hoch aus der Wüste. Er hielt es zunächst für einen einsamen Felsen, aber Mewe erklärte ihm, dass es sich dabei um einen jener Türme handelte, die die Akkesch zum Schutz des Handelsweges errichtet hatten.
»Wir werden dort halten müssen, denn die Wasserstelle liegt im Schutz dieses Turmes«, sagte der Jäger.
Zunächst aber sandten die Yamane den Jäger und zwei Krieger aus Auryds Sger aus, um nach der Fährte ihres Feindes zu suchen. Doch war auf dem harten Boden nichts zu finden.
»Das hat nichts zu sagen«, meinte Curru, als sie berichteten. »Wenn er klug ist, hält er sich abseits der Straße. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn wir im weiten Land seine Spur finden würden.«
Das mochte richtig sein; zu ihrer Rechten lag der Glutrücken zwar wie ein unüberwindlicher Riegel vor der Slahan, aber auf der anderen Seite erstreckte sich schier endloses Wüstenland.
Awin glaubte trotzdem immer weniger, dass der Feind diesen Weg gewählt hatte, und er sah Mewe an, dass auch er Zweifel an den Worten des alten Sehers hatte.
Ihre Schar teilte sich. Sie schieden ohne viele Worte voneinander. Die Männer hoben die Hand zum Gruß, dann brachen sie auf. Harmin war der Erste. Er und ein Dutzend Krieger würden auf geradem Weg nach Süden reiten, bis zur Salzstadt Albho, wenn es sein musste. Auryd zog mit seiner Schar nach Osten. Bis zur Oasenstadt Kaldhaik-Nef würde sein Weg ihn führen - wenn er den Feind nicht vorher stellen konnte. Die Männer von Yaman Aryak brachen als Letzte auf. Sieben Krieger hatte Auryd ihm überlassen, und Harmins Sohn Harbod war der Anführer dieser Männer. Ursprünglich hatte Auryd ihm ein volles Dutzend angeboten, aber das hatte Aryak abgelehnt. Sie sahen den Staubwolken der anderen Sgers nach, bis sie allmählich mit dem Flirren der Wüste verschmolzen, dann saßen sie auf. Der Yaman lenkte seinen Rappen zu dem Stein, auf dem Merege immer noch in aller Seelenruhe saß und wartete.
»Nun, junge Kariwa, wir brechen auf«, sagte er.
Sie nickte dem Yaman zu, erhob sich und sprang auf ihren Fuchs.
»Auf geht’s, Hakul!«, rief Aryak, und dann ritten sie los. Es ging nach Südwesten, nach Serkesch, in die Stadt, deren hohe Mauer Awin in seinem Traum gesehen hatte.
Eisenstraße
HARBOD BESTAND DARAUF, als Anführer seiner Männer an der Seite von Yaman Aryak zu reiten, sehr zum Verdruss von Curru, der diesen Platz sonst innehatte. Merege wollte sich am Ende des Zuges einreihen, neben Eri, aber der schrie sie an, er werde sie töten, wenn sie ihm zu nahe käme. An der Seite von Tauru und Marwi konnte sie auch nicht reiten, denn der Bognersohn sollte auf den Verwundeten achten. Marwis Schulterwunde hatte sich verschlimmert, und man sah ihm an, dass er ständig Schmerzen litt. Auch die beiden Jungkrieger des Fuchs-Klans, die vor Tauru ritten, wollten das Mädchen nicht an ihrer Seite haben. »Du bist eine Zauberin, und sie sagen, dass vielleicht du Schuld hast am Tode meines Vetters Dege«, sagte der ältere der beiden feindselig. »Komm uns also nicht zu nahe, Weib!«
Mabak, der hinter Awin ritt, wollte sie ebenfalls nicht dulden und scherte wortlos aus der Reihe aus, ebenso der Fuchs-Krieger, der bis dahin neben ihm geritten war. Der Yaman ließ den Sger anhalten.
»Deine Männer scheinen sich vor mir zu fürchten«, sagte Merege ruhig, als Aryak fragte, was die Unruhe zu bedeuten habe.
»Du bist eine Hexe, Kariwa, das wissen sie«, meinte Curru.
Merege lenkte ihren Fuchs nah an Curru heran. »Und du redest von Dingen, die du nicht verstehst, alter Mann. Ich bin ebenso wenig eine Hexe, wie du ein Seher bist!«
»Sie soll nicht mit uns reiten, Baba«, rief Ebu. »Ich weiß, du hast dein Wort gegeben, aber hast du auch
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