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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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»Mit dir? Nicht alles auf der Welt dreht sich um dich, junger Seher.«
    Awin nickte nachdenklich. Der Jäger schien außerordentlich schlecht gelaunt zu sein. Trotzdem hakte er nach: »Das war kein Nein, Meister Mewe.«
    Der Jäger sah überrascht auf. Er runzelte die Stirn, bevor plötzlich ein schwaches Lächeln über sein Gesicht huschte. »Ich habe wohl vergessen, mit wem ich rede.« Dann seufzte er und sagte: »Also gut, aber du wirst dich nicht besser fühlen, wenn du es weißt, junger Seher. Eigentlich ist diese Entscheidung
Harbods Verdienst. Es stand schon fest, dass Aryak seine beiden ältesten Söhne mit in die Stadt nehmen würde. Es wird ihnen viel Ansehen bringen, dass sie in dieser Stadt waren und dem mächtigen Raik begegnet sind. Doch wer würde sie begleiten? Dann kam Harbod und hat dem Yaman geraten, lieber dich als den alten Curru mit in die Stadt zu nehmen.«
    »Mich?«, rief Awin entsetzt.
    Der Jäger nickte. »Curru war außer sich, wie du dir vorstellen kannst. Leider haben sie mich nach meiner Meinung gefragt, und ich habe Harbods Vorschlag wohl nicht entschieden genug zurückgewiesen. Curru hat danach lange allein mit dem Yaman gesprochen. Du kennst das Ergebnis dieser Unterredung.«
    »Aber hätte er nicht einfach zwei oder drei Männer mehr mitnehmen können?«, fragte Awin, nachdem er über das Gehörte nachgedacht hatte.
    »Er hat es erwogen, doch Curru hat ein Zeichen der Schicksalsweberin empfangen, ich glaube, es war der Schrei eines Nachtvogels. Und dies hat ihm gesagt, dass nicht mehr als vier Männer zum Feind gehen sollten.«
    Die Welt war voller Zeichen, und zu vielen gab es einen überlieferten Seherspruch. Awin versuchte sich zu erinnern. Der Schrei der Eule war stets eine Mahnung zur Bescheidenheit. Aber eine genaue Zahl? Darüber sagte keiner der Sprüche etwas, jedenfalls keiner, den er kannte.
    »Sag mir eines, junger Seher, gibt es dieses Zeichen wirklich?«, fragte der Jäger jetzt. Er wirkte verbittert.
    Awin zögerte mit der Antwort. Bis vor kurzem hatte er die Überlieferung nicht sehr ernst genommen. Die Sprüche waren doch so unbestimmt, dass sie immer irgendwie zu passen schienen, und wenn ein Seher wie Meister Curru über einen großen Vorrat dieser Weisheiten verfügte, dann konnte er sich stets die aussuchen, die seinen eigenen Zielen und Absichten am besten
dienten. Aber das Bild von dem Mädchen an der Mauer hatte Awin sehr beeindruckt. Also antwortete er: »Ich kann nicht sagen, was Meister Curru genau gesehen hat, aber die Eule steht meist für Zurückhaltung und Bescheidenheit, Meister Mewe.«
    »Aber du hast diesen Nachtvogel nicht gehört, oder?«
    Awin schüttelte den Kopf.
    Der Jäger steckte seinen Dolch weg. »Hast du etwas anderes gesehen? Du wirkst bedrückt.«
    Sollte Awin ihm vom roten Klatschmohn erzählen? Würde es etwas ändern? Zum ersten Mal seit langem wünschte er sich, sein Meister wäre hier und würde ihm erklären, dass Rot die Farbe einer Hochzeit oder Geburt sei.
    »Du zögerst? Ist es so schlimm?«, fragte Mewe. Plötzliche Besorgnis spiegelte sich in seinen Zügen.
    Awin fand, dass der Jäger eine Antwort verdient hatte. Also erzählte er ihm von dem, was an der Mauer geschehen war. Und dass er genau dieses Bild schon einmal in einem Traum gesehen und mit Meister Curru besprochen hatte.
    »Ein Mädchen an einer Mauer? Das hast du geträumt?«, fragte der Jäger.
    Awin nickte. Zu spät ging ihm auf, dass er kurz davor war, seinen Ziehvater bloßzustellen. Der Jäger sah ihn nachdenklich an, dann schüttelte er den Kopf. »Es gibt jetzt eine Frage, die mir auf der Seele brennt, aber ich werde sie nicht stellen, noch nicht, denn ich fürchte die Antwort. Es ist besser, du gehst jetzt und hilfst Meister Tuwin. Vielleicht hören die jungen Krieger eher auf dich als auf ihn.«
    Awin ging und biss sich auf die Lippen. Der Jäger hatte sein Geheimnis erraten. Vielleicht war er sich noch nicht völlig sicher, aber wenn er nur ein bisschen darüber nachdenken würde, würde er wissen, wessen Traum sie nach Serkesch geführt hatte.

     
    Tuwin war in der Tat froh, ihn zu sehen, denn Harbod hatte Eris Vorschlag wiederholt, einen frischen Braten aus einem der benachbarten Gehöfte zu beschaffen. »Gegen Bezahlung, natürlich«, wie er versicherte. Der Schmied konnte sich nicht gegen den Fuchs-Krieger durchsetzen, und der Blick, den er Awin zuwarf, war geradezu flehentlich.
    »Nun, junger Seher, wie ist deine Meinung?«, fragte Harbod.

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