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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sie mussten die Göttin vernichten. Aber wie? Awin blickte in die staubbedeckten Gesichter seiner Gefährten, sah die erschöpften Pferde und ließ noch einmal seinen Blick zum Horizont schweifen. Die Dhaud war durchbrochen von schroffen Hügelketten. Wann immer es sich anbot, schickte Awin einen Späher auf diese Hügel. Noch hatte keiner die Staubwolke im Westen gesehen, die doch unweigerlich irgendwann kommen musste.
    Awin seufzte wieder. Der Weg war noch weit. Ihr Zaumzeug musste überprüft und geflickt werden, und ihre Vorräte gingen zu Ende. Es gab viele Gründe, die dafür sprachen, dass sie das zerstörte Lager aufsuchen sollten. Awin verkündete seine Entscheidung: »Wir werden zu diesem Lager reiten und sehen, was wir verwenden können, doch werden wir nicht mehr nehmen, als wir brauchen, und so schnell wie möglich weiterziehen. Denkt daran, dass wir nicht für Plünderer gehalten werden dürfen. Und ich will noch vor dem Abend ein Feuer haben und einen Braten, wenn wir einen bekommen können. Diese Nacht werden wir nicht reiten.«
    Diese Nachricht wurde mit Erleichterung aufgenommen, und die Krieger richteten sich in ihren Sätteln auf, ermutigt
durch die Aussicht auf etwas Ruhe. Wie einfach es ist, ihnen Mut zu machen , dachte Awin. Allzu lange würde die Nacht aber nicht werden, dafür würde er schon Sorge tragen. Jede Stunde, die sie verloren, konnte eine zu viel sein. Einmal, im Schlaf, hatte er geglaubt, seine Schwester Gunwa würde ihn rufen. Aber dann war er erwacht, und es war nur Wela gewesen, die ihn aufwecken wollte. So waren sie Tag für Tag weitergehetzt, und die Sorge um seine Schwester und seine anderen Stammesbrüder machte ihn krank. Vielleicht konnte er deshalb seinen Geist nicht auf die Reise schicken, denn er fand einfach keine Ruhe. Und dann war da noch das, was der alte Kluwe gesagt hatte: Das Schicksal der Welt ruhte auf seinen Schultern. Und das war manchmal mehr, als er ertragen konnte.
     
    Etwas später stießen sie auf die armseligen Überreste des Lagers, das Limdin und Dare ausgekundschaftet hatten. Zeltstangen ragten aus dem Boden, und zerfetzte Stoffbahnen flatterten träge im schwachen Wind. Sie fanden einige Leichen, die ausgedörrten Gesichter ein Bild des Schreckens, die Haut wie Leder, die Augen eingefallen oder von Krähen geraubt.
    »Es sind keine Menschen aus diesem Lager«, stellte Merege nüchtern fest.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Wela gereizt.
    »Ihre Mäntel. Sie sind schwarz.«
    Awin nickte. Er hatte das schon vor einigen Tagen bemerkt. Sie stießen immer wieder auf Leichen, von Slahan achtlos zurückgelassen, Männer, Frauen und selbst Kinder. Waren es Männer, war die Stammeszugehörigkeit leicht an der Farbe der Mäntel zu erkennen. Sie waren selten grau.
    »Das heißt gar nichts«, rief Wela ungehalten. Die vielen Toten setzten ihr offensichtlich mehr zu, als sie zugeben wollte.
    Tuge hatte unterdessen das Rundzelt des Bogners gefunden.
Viel war nicht davon übrig. »Ihre Zelte taugen nichts. Als Slahan über unser Lager hergefallen ist, haben unsere viel besser standgehalten.«
    »Sie sind viel leichter als unsere, offenbar ist der Winter hier ein anderer«, entgegnete Awin nachdenklich. All diese Zerstörung, aber was bezweckte die Göttin damit? Sie war jahrhundertelang ohne Sklaven ausgekommen, warum verschleppte sie nun Hakul? Und was wollte sie im Osten? Senis hatte etwas darüber gesagt, und Awin versuchte sich zu erinnern, wie genau ihre Worte gelautet hatten. Sie hatte davon gesprochen, dass es Slahan eigentlich nach Norden zog, sie aber wegen der vielen Flüsse und Bäche nicht dorthin gelangen konnte. Aber sie würde im Osten etwas finden, das sie suchte. Doch was konnte das sein? Was gab es in dieser Festung der Viramatai, dass die Göttin unbedingt dorthin wollte? Awin blickte auf die verstreuten Trümmer und fragte sich, was für Menschen hier gelebt haben mochten. Das Lager war nicht sehr groß. Vermutlich war hier ebenso gelacht und gestritten worden wie in seinem eigenen Klan. Und nun war alles ausgelöscht. Ausgelöscht - plötzlich schlich Awin ein kalter Schauer über den Rücken, eine Ahnung. Er wusste plötzlich, was die Gefallene Göttin vorhatte. Es mochte sein, dass sie jetzt nach Osten ging, aber ihr Ziel lag letztendlich im Norden. Das Daimonentor! Sein Traum hatte es ihm gezeigt: Sie wollte das Skroltor öffnen, wollte die verbannten Daimonen befreien und den ganzen Erdkreis mit Feuer und Tod heimsuchen. Es ging

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