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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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rief Nyet und zerschmetterte einen weiteren Birkenstamm.
    »Isparra war ein Windskrol. Du kannst den Wind nicht töten, Mensch. Du kannst einen Gott nicht töten. Ob du den Unglücksstein hast oder nicht«, zischte Skefer. »Gib es auf!«
    »Isparras Stärke gehört jetzt mir«, hauchte Seweti, die plötzlich hinter Awin stand. Er fühlte ihren Atem im Genick. Ihn schauderte. »Kannst du nicht spüren, wie stark ich bin, Mensch?«, fragte sie. Awin fühlte ihre Gegenwart, aber er konnte den Blick nicht von Skefer lösen.
    »Hast du sie erreicht?«, fragte Skefer.
    »Ich habe ihnen die Botschaft überbracht«, sagte Seweti lachend.
    Awin fragte sich, wem die Tänzerin eine Botschaft überbracht hatte. Der Schmerz in seinem Kopf wurde unerträglich.
    Nyet lachte plötzlich bitter auf. Er schien erst jetzt verstanden zu haben, was Seweti gesagt hatte, und rief: »Isparras Stärke? Ein wenig davon, Schwester, ein wenig. Und sie gehört dir nicht. Wie auch uns unsere Stärke nicht mehr gehört.«
    »Schweig!«, herrschte Dauwe ihn wütend an.
    Nyet lachte. »Dieser Mensch wird die Festung nicht mehr verlassen«, rief er.
    War er in der Festung? Awin wollte sich umdrehen, wollte sehen, woher dieses unwirkliche Licht kam, das durch die Bäume zuckte. Aber er vermochte nicht, sich zu bewegen. Eine bleierne Schwere kroch in seine Glieder. Sie wollten ihn töten? Warum hatten sie es nicht schon längst getan? Und die hochmütige Isparra war also nicht mehr bei ihnen, ausgestoßen. Sie hatte Awin geholfen in Uos Mund. Plötzlich empfand er Mitleid für sie. Skefer warf Nyet einen wütenden Blick zu. Der Schmerz in Awins Kopf ließ sofort nach, als diese unergründlichen schwarzen Augen sich von ihm abwandten. Er spürte Sewetis Nähe. Sie schien dicht hinter ihm zu stehen. Ihre Schleier wehten leicht im Wind. Ein kalter Schauer lief durch seine Schulter. Der Schleier wehte durch ihn hindurch !
    »Du hast uns alle unglücklich gemacht, Mensch«, hauchte sie. »Wir waren freie Winde, und die ganze Wüste haben wir durchwandert, wann immer es uns gefiel. Und nun lässt sie uns nicht mehr fort.«
    »Nicht mehr lange, Schwester, nicht mehr lange. Schon übermorgen braucht sie unsere Kraft nicht mehr. Dann werden wir wieder sein, was wir waren, als die Welt geschaffen wurde«, rief Nyet und schleuderte den zerbrochenen Baum in den Wald hinein. Es krachte, als er gegen andere Stämme prallte.
    »Du bist stark, Nyet, mein Bruder«, sagte Skefer spöttisch.
    »Ich werde dir zeigen, wie stark, kleiner Bruder«, rief Nyet, riss eine junge Birke aus, schwang sie wie eine Keule über dem
Kopf und kam näher. Awin verstand. Er zwang sich, die Augen zu schließen. Sein Geist musste fort von diesem Ort. Er versuchte, an Senis zu denken, aber vor seinem inneren Auge sah er nur die stolzen Züge Isparras. Er fühlte sich plötzlich leicht. Als er die Augen öffnete, starrte er in das verblüffte Gesicht Nyets, der ihm, die Birke zum Schlag erhoben, zusah, wie er verblasste und verschwand. Stille umfing Awin, dann hörte er das leise Tropfen von Wasser. Er war in einer Höhle. Vor dem nahen Eingang schien der Mond. Der Umriss einer Frau zeichnete sich dort ab.
    »Der Unglücksbringer«, sagte eine schwache Stimme, die ihm dennoch vertraut erschien.
    »Isparra?«, fragte er ungläubig.
    Die Windskrole stand plötzlich vor ihm. »Die Zerstörerin war ich, niemand konnte mir widerstehen. Jetzt bin ich nur noch ein kraftloser Hauch. Die Winde tragen mich hierhin und dorthin, aber keiner verspürt Mitleid mit Isparra«, lautete die leise Antwort, in der dennoch Stolz mitschwang.
    »Slahan hat dich verstoßen?«
    »Beraubt hat sie mich, verstoßen, dem Vergessen übergeben. Niemand wird mich noch fürchten.«
    »Weißt du, was sie vorhat, Isparra? Weißt du, warum Slahan in dieser Feste wartet?«, fragte Awin. Er versuchte, die Züge der Frau zu erkennen, aber es war zu dunkel. Dann fühlte er ein seltsames Prickeln im Rücken. Es war, als würde jemand ihn von hinten anstarren.
    »Ich sollte dich töten, Mensch«, sagte Isparra kalt, und als Awin sie nur stumm ansah, fuhr sie verbittert fort: »Aber selbst das vermag ich nicht mehr.«
    »Die Festung, Isparra, warum ist sie in dieser Festung?«, fragte er noch einmal.
    Ihr Schatten kam näher. »Es ist ein alter Ort, stark. Er kann
ihr die Kraft geben, die sie braucht. Und sie wird mir dennoch die meine nicht zurückgeben.«
    »Wozu braucht, Isparra?«, fragte Awin, der spürte, dass er der Antwort,

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