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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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als die Behüterin durch die Hütte schritt.
    »Dort, setz dich dort auf den Boden, junger Seher. Es wird eine Weile dauern, bis ich gefunden habe, was ich brauche.« Dann zog sie eine Flöte aus einer Falte ihres Gewandes und betrachtete sie nachdenklich. »Und ein Kraut brauchen wir, für den Trunk. Und Farbe. Kraut, Farbe und Ton - und natürlich etwas Blut, junger Mensch.«
    Sie griff in eine Vertiefung in der Wand und zog einen langen Bronzedolch hervor. Mit dem Daumen prüfte sie die Schärfe. »Du besitzt auch einen Dolch, nicht wahr, junger Seher?«, fragte sie mit einem schneidenden Lächeln.
    Awin nickte. Im Gürtel trug er natürlich seinen Blutdolch, den Wela eigens für ihn angefertigt hatte. Die Viramatai hatten ihm vor dem Aufbruch eine Klinge aus Eisen angeboten, aber
die hatte er abgelehnt. Der Blutdolch war etwas Heiliges, von Wela mit dem Schmiedezauber der Hakul gefertigt.
    »Gib ihn mir«, befahl Norgis rau.
    Awin zögerte. War das der Preis, den sie verlangte? Ein Hakul würde sein Schwert und seinen Schild hergeben, aber niemals seinen Blutdolch. Awin schluckte, dann zog er ihn aus der Scheide und legte ihn in die ausgestreckte Hand der Frau.
    »Sehr gut«, murmelte sie, als sie die Klinge begutachtete. »Gute Zeichen, eingegraben von kundiger Hand. Ich kann ihre Kraft spüren. Ich borge mir deine Waffe für eine Weile aus, junger Hakul.«
    Awin schluckte und sah ihr zu. Zunächst durchwühlte Norgis einige weitere Löcher im Fels, bis sie das gesuchte Kraut fand. Dann zog sie verschiedene Tiegel hervor, deren Inhalt Awin nicht erkennen konnte. Sie schürte das Feuer unter dem Kessel. Dabei summte sie einige abgehackte Töne, die dunkel und drohend in Awins Ohren klangen. Es wurde warm in der Hütte, und Awin begann zu schwitzen.
    »Es ist erforderlich, dass du dich ausziehst, Awin von den Dornen«, verkündete Norgis.
    Awin gehorchte zögernd. Er legte die lederne Rüstung, die Stiefel, den Mantel und sein Obergewand ab, aber Norgis forderte ihn auf, sich auch seines Untergewandes zu entledigen. Awin dachte an das, was die Frau über ihre Liebhaber gesagt hatte, denen sie das Leben nahm, um ihre Jugend zu erhalten.
    »Du hast Angst?«, fragte Norgis. »Das ist gut, denn Angst schärft die Sinne. Und es ist angebracht, denn dir werden vielleicht furchtbare Dinge begegnen.« Sie öffnete die Tiegel, die mit blauer, roter und schwarzer Paste gefüllt waren, nahm davon, verdünnte sie mit Wasser, und begann, Awins nackte Haut mit verschlungenen Mustern zu bemalen.

    »Nur zum Schutz, junger Seher, nur zum Schutz. Es wird dir helfen, dich vor deinen Feinden zu verbergen.«
    Awin spürte brennenden Schmerz überall dort, wo ihre Finger über seine Haut fuhren. Die Brust und den Rücken bemalte sie mit blauen und roten Zeichen, im Gesicht zog sie schwarze Linien. Dabei brummte sie leise vor sich hin. Schließlich trat sie einen Schritt zurück, betrachtete ihr Werk von allen Seiten und besserte an der einen oder anderen Stelle nach. »Besser, es gründlich zu machen. Sie haben wache Augen, deine Feinde. Und es wäre viel zu früh, dich ihnen heute schon zu offenbaren.«
    Awin wusste nicht, was sie meinte. Er schwieg und sah ihr zu, wie sie nun das Kraut mit anderen in einem kupfernen Kessel aufkochte. Schwerer Dampf stieg auf, und Awin fühlte eine leichte Benommenheit. Er hoffte, dieses eigenartige Ritual würde bald vorüber sein.
    »Noch lange nicht«, murmelte Norgis. Sie nahm eine kleine Hacke und zog zu Awins Füßen einen Kreis in den Lehmboden, dann einen zweiten großen Kreis, der am Ende fast den ganzen Innenraum der Hütte einnahm. Zweimal ging sie beide Kreise Stück für Stück ab und besserte sie nach. Awin saß auf seinem Schemel und fühlte sich zunehmend unwohl. Jetzt zog sich auch Norgis aus, und er sah, dass ihr ganzer Körper mit feinen schwarzen Linien überzogen war. Ohne weitere Umstände packte sie ihn an der Hand und zog ihn zum dampfenden Kessel. Ein schneller Schnitt, und aus seinem Unterarm tropfte Blut in den Sud. Awin blickte verwirrt in das brodelnde Gebräu, das nach Sauerampfer roch. Er vermeinte, jeden einzelnen seiner Blutstropfen sehen zu können, wie er durch den Kessel wirbelte. Mit harter Hand schob ihn Norgis zurück und nötigte ihn, sich wieder auf den Boden zu setzen.
    »Unser Blut wird sich vermählen, Seher«, verkündete die
Behüterin ruhig. Awin schnürte es die Kehle zu. Hatte sie doch vor, ihn zu töten?
    »Nur ein wenig, nur ein wenig«, murmelte

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