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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ist sie geworden und müde, will wegwerfen,
was ich so sehr begehre! Nun, dafür habe ich andere Fähigkeiten und bin in vielem stärker als meine Schwester. Dann lernte ich, die Kraft eines Menschen zu nehmen, um meine eigene zu erhalten, ja, sogar verlorene Kraft, verlorene Jahre zurückzugewinnen. Zunächst war es ein Unglück, denn Bor, mein Gefährte, starb, als ich mich in seinen Armen vergaß.«
    Sie hielt inne und seufzte. »Es ist lange her, und noch immer bedaure ich den unglücklichen Bor. Einem Menschen seine Kraft zu nehmen, war uns nicht neu, doch verboten die Regeln der Wächter, es zum eigenen Nutzen zu tun. Aber sollte ich sterben, nur weil es den Göttern so gefiel? Nein! Also verließ ich die Kariwa, bevor sie ein Urteil über mich fällen und vollstrecken konnten. Später erfuhr ich, dass sie meinen Tod verlangten. Ich durchwanderte die weite Welt und nahm mir stets, was ich brauchte - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schließlich kam ich hierher in dieses Land und fand dieses friedfertige Volk, schutzlos den Wölfen und seinen gierigen Nachbarn ausgeliefert. Also nahm ich mich seiner an. Ich schloss für sie Frieden mit dem Wolf und weihte sie ein in die Kunst, sich zu verbergen in Nebel und Wald. So bewahrte ich sie vor ihrer Vernichtung, bis heute! Und ich verlange dafür nicht viel von ihnen. Zweimal im Jahr, immer zur Sonnenwende, bringen sie mir einen jungen Mann, mit dem ich mich vereine. Zuletzt waren es welche von jenen Narren, die glauben, dass sie in meinem Reich siedeln dürfen, ohne mir dafür zu danken. Aber nicht immer sind es Gefangene, die meine neuen Kinder mir opfern, denn sie betrachten es als Ehre, ihr Leben für den Stamm zu geben, und hohes Ansehen ist dem Mutigen über seinen Tod hinaus gewiss.«
    Awin wurde kalt. Norgis tötete Menschen, um ihre Jugend zu erhalten? Er ahnte nun, was mit Raiwe geschehen war, und die Furcht, die er zu unterdrücken versuchte, kehrte mit Macht
zurück. Stand ihm selbst nun etwa das gleiche Schicksal bevor? Seine Hand klammerte sich an den Schwertgriff. Was willst du mit der Waffe? Sie wäre nicht so alt geworden, wenn sie so leicht zu töten wäre , warnte ihn seine innere Stimme. Doch vorsichtig, ganz vorsichtig zog er seine Klinge Stück für Stück aus der Scheide.
    Norgis fuhr fort. »Lange habe ich mich damit begnügt, mein Volk zu schützen, doch nun scheint es, als würden die Fäden des Schicksals auch mich wieder berühren, und Ereignisse weit fort vom Femewald das Schicksal meines Volkes bestimmen. Du bist hier, Seher, und ich muss überlegen, was ich mir dir mache.«
    Awin riss sein Schwert heraus, holte zum Schlag aus - und ließ es entsetzt fallen, denn es verwandelte sich in seiner Hand in eine zischende Schlange. Mit einem Schrei ließ er sie los - und klirrend fiel sie, wieder in eine Waffe verwandelt, zu Boden.
    »Du kannst dein Schwert ruhig wieder wegstecken, junger Seher«, sagte Norgis ruhig. »Es wird dich nicht beißen, solange es bleibt, wo es hingehört.«
    Er bückte sich, hob verlegen sein Schwert auf und schob es zurück in die Scheide. In der Ferne heulten Wölfe. Ein leichter Wind war aufgekommen. Awin fragte sich, ob er auch die Nebel jenseits der Felsen vertreiben würde. Er sah den Spalt, durch den er gekommen war. Würde er schnell genug laufen können, um Norgis zu entkommen? Warum nur hatte er sein Pferd fortgeschickt?
    Dann, ganz plötzlich, wurde ihm klar, dass Norgis auch eine wertvolle Verbündete sein konnte. »Du weißt, was geschieht, wenn das Skroltor geöffnet wird?«, fragte er vorsichtig.
    »Besser als du, Mensch, denn ich war dort, als die Daimonen hindurchschritten und es geschlossen und versiegelt wurde.«
    »Dann solltest du uns helfen!«, stieß Awin hervor.

    Norgis sah ihn lange an. »Nein«, sagte sie schließlich.
    »Aber es ist das Ende der Welt, wenn Eri und die Xaima das Skroltor öffnen!«, rief er.
    »Vielleicht ist es auch Zeit, dass diese Welt endet, Awin«, entgegnete Norgis, und auf einmal wirkte sie unglaublich alt und von der Last der Jahre gebeugt.
    Awin hatte bislang nicht einmal daran gedacht, dass es der Wille der Götter sein könnte, dass Eri Erfolg haben würde. »Dann … dann … dann ist es vorherbestimmt?«, stotterte er.
    Norgis schüttelte unwillig den Kopf. »Als mir der Gefangene von diesen Dingen berichtete, habe ich meine Muhme Tengwil befragt. Sie hat viele Fäden in der Hand, Awin von den Dornen. Es mag sein, dass das Tor geöffnet wird, es mag aber auch

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