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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Awin.

    Die Kariwa blickte auf und nickte ihm zu. »Ich grüße dich, Awin. Ist es nicht schön hier?«
    Sie schien sich gar nicht über seine Anwesenheit zu wundern. Aber auch Awin kam es wie das Natürlichste der Welt vor, dass er die Kariwa an genau diesem Ort traf.
    Er zuckte mit den Achseln. »Schön? Ich weiß nicht.« Er blickte sich um. Die steilen Felswände bedrückten ihn, und das graue Meer, dessen Wellen gegen das Ufer brandeten, schien ihm plötzlich bedrohlich. Er sah weiße Punkte, die in der Ferne über das Wasser dahinschossen.
    »Was sind das für Vögel?«, fragte er, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
    »Seemöwen. Wären sie näher, könntest du sie rufen hören«, antwortete die Kariwa. Beim letzten Satz klang sie traurig.
    »Es ist zu still hier«, stellte Awin plötzlich fest.
    Merege stand auf. »Mir reicht es, wenn ich das Meer rauschen höre.«
    »Aber es rauscht gar nicht!«, erwiderte Awin, dem das gerade erst aufgefallen war.
    Merege sah ihn verunsichert an.
    »Das Meer ist still, die Vögel rufen nicht«, sagte er leise. Seine eigene Stimme schien ihm unangemessen laut und rau zu sein. »Ich bin einem Bach gefolgt. Aber ich glaube, selbst sein Murmeln habe ich mir eingebildet, denn ich habe Stimmen im Wasser gehört.«
    »Wasser«, echote Merege und wandte sich ab. Sie blickte über die niedrige Mauer hinweg. »Auf der anderen Seite dieser Mauer liegt unser Dorf«, sagte sie.
    »Warst du dort?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Alle anderen sind dort. Aber sie lassen mich nicht durch das Tor.«
    Awin blickte auf die beiden hohen Steine, die sich über dem
Weg aneinanderlehnten. Niemand war dort. Es sah verlockend aus. Er war versucht, einfach durch das Tor zu gehen, um zu erfahren, was er auf der anderen Seite vorfinden würde. Aber da war etwas in den schwachen Schatten hinter dem hohen Tor, das ihn schaudern ließ. Es war unsichtbar, aber er konnte seine Anwesenheit fühlen. Er spürte: Dort wartete ein anderer Seelenverweser, und der würde niemanden, der über die Schwelle dieses Tores trat, je zurückkehren lassen.
    »Sie wissen, dass du nicht hier sein solltest«, sagte Awin vorsichtig. »Und ich denke, wir sollten gehen, Merege.«
    Sie drehte sich zu ihm um, legte den Kopf schief und lächelte. »Ich will nicht gehen. Mir gefällt es hier. Es ist ruhig. Niemand streitet. Es ist nicht wie bei Deinesgleichen. Der Wind bringt immer frische Luft, und bald werden hier die Schneeglöckchen ihre Köpfe zeigen und den Frühling ankündigen.«
    »Hier geht gar kein Wind, Merege, und ich glaube nicht, dass er jemals wehen wird. Sieh dich um - das Gras ist grau, der Boden und das Meer ebenso. Ich nehme an, dass selbst die Blumen ohne Farben sein werden, wenn sie denn je hier erblühen. Vielleicht ist hier auch immer Winter, denn da, wo ich herkomme und wohin wir nun gehen sollten, hat der Frühling längst begonnen.«
    Merege legte die glatte Stirn in Falten und widersprach: »Wie kann das sein? Ich bin doch noch keinen Tag hier. Und gegangen bin ich, als Winter war.«
    Awin streckte die Hand aus. »Du bist schon viele Tage hier. Zu viele. Komm, deine Freunde warten auf dich.« Er versuchte, Zuversicht auszustrahlen, obwohl er keine Ahnung hatte, wie er sie von diesem Ort fortbringen sollte.
    »Freunde? Ich bin eine Wächterin des Tores. Ich habe keine Freunde. Schon gar nicht unter den Hakul. Niemand vermisst mich«, entgegnete Merege nachdenklich.

    »Und warum bin ich dann hier?«, fragte Awin.
    Merege sah ihn ernst an. »Das weiß ich nicht. Warum bist du hier?«
    »Das kann ich dir erklären, doch nicht im Schatten dieses Tores, Merege. Komm, wir gehen ein Stück.« Er war sich plötzlich sicher, dass er sie von diesem Tor fortlocken musste, um mit ihr zurückzukehren. Noch immer hielt er seine Hand ausgestreckt.
    »Kann ich hierher zurückkommen?«, fragte sie unschlüssig.
    »Jederzeit«, versprach Awin.
    Ihre Hand war kühl. Er zog Merege vom Tor weg. Er war sich sicher, dass er mit ihr nur bis zur nächsten Biegung gehen musste. Hinter der Biegung schien es heller zu werden. Die Kariwa ließ sich ziehen. Es schien ihr nicht wichtig zu sein, wohin sie gingen. Sie bogen um die Felsen. Licht schien auf den Pfad. Plötzlich blieb sie stehen.
    »Hörst du das?«, fragte sie.
    Awin lauschte. Ein ferner Donner klang über das Meer. Er erbleichte. Das Licht! Wenn Edhils Sonnenwagen hier erschien, waren sie verloren.
    »Das ist das Meer«, sagte Merege.
    Mir ist gleich, was

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