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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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hatte Recht. Sie waren Gast der Akradhai, sie hatten nicht die Erlaubnis, hier etwas fortzunehmen. War das so schwer zu verstehen? Er würde Jeswin gleich sagen, dass er seine Leute zurückrufen musste. Aber nun war er für einen Augenblick allein, und das war gut, denn er musste sich auf
das Ritual einstellen. In einer Böe wirbelte eine Feder von Isparras Gewand über den Platz. Ein Schauer rann ihm den Rücken hinunter. Er hatte genau dieses Bild in seinem Traum gesehen! Er blickte zum Himmel. Die ersten Sterne zeigten sich, aber nicht eine Wolke deutete auf den Hagel hin, den er gesehen hatte. Das Dorf lag friedlich und still. Außer den Hakul war nichts zu sehen oder zu hören. Selbst die Vögel waren verstummt. Dann sah er Isparra, die mit gemessenen Schritten zum Floß lief. Sie warf einen verstohlenen Blick in die Dunkelheit jenseits der Fackeln. Jetzt begriff Awin, was der Traum ihm hatte sagen wollen: »Tuge! Das Horn, wir werden angegriffen!«, rief er laut.
    Tuge sah ihn an, als hätte er nicht richtig gehört. Die Hakul kamen aus den Hütten heraus und starrten in die Dunkelheit, die das Dorf umgab.
    »Die Dorfbewohner, sie kommen zurück!«, rief Awin, da die Hakul nicht zu verstehen schienen. Ein Sausen warnte ihn, und er rannte los. Die ersten Pfeile bohrten sich in den Boden.
    »Auf das Floß, auf das Floß!«, brüllte Jeswin, und Tuge blies sein Jagdhorn.
    Die Flößer waren behände. Sie begannen schon, das schwere Gefährt vom Ufer abzustoßen. Awin rannte. Er sprang an Bord, und Pfeile schlugen neben ihm ins Holz. Mabak tauchte auf und schoss Pfeile in die Finsternis. Jetzt kamen auch die Hakul aus den Hütten gerannt. Pallwe schien nicht auf sie warten zu wollen. Merege zerrte Karak an Bord. Tuge und Limdin waren jetzt mit den anderen Hakul am Ufer angelangt. Sie wurden langsamer.
    »Es ist nicht tief!«, rief Awin ihnen zu. Die Hakul sprangen ins flache Wasser, rannten, stolperten und kletterten fluchend und durchnässt an Bord des Floßes. Jemand schrie auf. Jetzt zeigten sich die Angreifer im Licht jener Fackeln, die die Hakul
am Ufer fallen gelassen hatten. Sie schrien, jubelten und schossen immer noch Pfeile auf das Floß ab. Der eine oder andere schlug in die Stämme ein, aber die meisten gingen zu kurz. Awin fiel Mabak in den Arm. »Warum schießt ihr auf diese Menschen, die nur ihr Dorf verteidigen? Spart eure Pfeile lieber für den Tag, da wir Eri gegenübertreten.«
    Nicht alle Hakul hatten ihn gehört, und Awin sah am Ufer einen Akradhai zu Boden stürzen. »Habt ihr nicht verstanden?«, rief Jeswin laut. »Verschwendet eure Pfeile nicht an diese Bauern!«
    Murrend senkten die Krieger ihre Bögen. Awin nickte dem Yaman dankbar zu.
    »Es ist nur, wie du sagtest - es wäre Verschwendung, Yaman Awin«, meinte Jeswin knapp.
    Die Flößer brachten das Floß in die Strömung und dann nah ans andere Ufer.
    »Haben wir Verluste erlitten?«, fragte Awin.
    Sie hatten, wie durch ein Wunder, keine Toten zu beklagen. Drei der Roten Hakul waren pfeilwund, doch Wela und Mahuk Raschtar untersuchten die Wunden im Licht der Fackeln und waren dann zuversichtlich, dass sie keinen Mann verlieren würden. »Ihre Pfeile sind wirklich schlecht, wie Tuge gesagt hat«, urteilte Wela. »Sie haben weder Widerhaken, noch sind sie besonders scharf oder spitz. Und Mahuk sagt, er kennt einen Pilz, der den Wundbrand verhindern kann. Wir hatten Glück.«
    »Wir hatten einen Seher«, berichtigte Tuge.
    »Das ist wahr«, pflichtete ihm Jeswin jetzt bei. »Hättest du uns nicht gewarnt, wären wir wohl nicht so glimpflich davongekommen. Aber war das nicht ein seltsamer Überfall? Ich meine, warum greifen sie uns erst nach Stunden an? Und warum uns? Sie hatten das Dorf schon verlassen, lange bevor
wir dort ankamen, oder hat einer von euch dort noch warme Herdglut gefunden?«
    Awin kam nicht umhin, dem Yaman Recht zu geben. Es war merkwürdig. Er war auch nicht der Einzige, der diesen Angriff vorhergesehen hatte. Isparra stand weit vorne auf dem Floß, ganz allein, denn die Flößer und Krieger achteten auf Abstand.
    Awin ging zu ihr. »Warum hast du uns nicht gewarnt?«, fragte er schlicht.
    Sie blickte hinaus auf den schwarzen Strom. »Euer Streit mit diesen Menschen geht mich nichts an, und ich habe nicht bedacht, wie zerbrechlich eure sterblichen Hüllen sind.«
    »Und doch hast du dich zu uns aufs Floß geflüchtet, Isparra.«
    »Ihr hättet mich in eurer Angst sicher nicht gebeten, euch zu begleiten.«
    Awin

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