Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
unterdrückte ein Seufzen. Sie wich ihm aus, wie stets. »Du hast gesagt, du würdest mir meine Fragen nur auf der Ebene der Götter beantworten. Doch hier sind wir ungestört, ehrwürdige Isparra, und meine Männer sind mit der Versorgung ihrer Wunden beschäftigt.«
»Und doch gibt es einen, der uns zuhört, und deshalb werde ich schweigen.«
Wenn er ihren Blick im ungewissen Licht der Fackeln richtig deutete, traf er den Raschtar, und Awin begriff, dass sie Yeku meinte.
»Ich kann aber die Reise nicht antreten, solange wir auf dem Floß sind, Isparra, denn ich brauche festen Grund für dieses Ritual.«
»Ich kann nichts dafür, dass deine Gabe so unzuverlässig und schwach ist, Seher. Also richte deine Vorwürfe nicht an mich.« Dann wandte sie sich ab, wohl um zu zeigen, dass sie das Gespräch für beendet hielt.
Awin entdeckte Bewegungen am Ufer, ungewiss in der Dunkelheit, aber es schien, als würden die Dorfbewohner dem Floß folgen.
Er ging zu Pallwe, der von Flößer zu Flößer wanderte, halblaut mit den Männern sprach und sie zu ermutigen schien. »Wie geht es jetzt weiter, Meister Pallwe?«, fragte er.
»Die Stromschnellen. Gefährlich in der Nacht.«
»Und willst du nicht anlegen? Am anderen Ufer vielleicht?«
Pallwe schüttelte den Kopf. »Noch gefährlicher. Böse Menschen hausen dort.« Damit ließ er Awin stehen, um mit dem nächsten seiner Männer zu sprechen.
»Was hat er gesagt?«, fragte Nokke, der herangehumpelt kam.
»Dass er nicht anlegen will und wir die Stromschnellen überqueren werden. Bist du verletzt?«
»Beim Sprung habe ich mir den Knöchel verstaucht, es ist nichts. Er will bei Nacht über die Stromschnellen?«
»Das hat er gesagt. Ist das denn sehr gefährlich?«
»Das kommt darauf an. Die Jurma führt viel Wasser, das ist vielleicht gut, vielleicht aber auch nicht. Ein Boot käme leicht zwischen den Untiefen und den verborgenen Steinen hinüber, doch mit einem so großen Floß ist das eine andere Sache. Die Jurma spielt nämlich gerne mit Inseln und großen Felsen, die sie in ihr Bett setzt, fortspült und an anderer Stelle wieder aufstellt. Und bei Nacht …«
»Also sollten wir doch landen?«, fragte Awin.
Aber Nokke verneinte das: »Pallwe hat schon Recht. Die Dörfler verfolgen uns, und auf der anderen Seite wohnen Ausgestoßene, die noch weit gefährlicher sind als diese friedliebenden Bauern.«
»Dann sag Pallwe, dass meine Krieger seinen Leuten helfen
werden, wenn sie können, und geh zu Wela oder Mahuk und lass sie nach deiner Verletzung sehen.«
»Ich danke dir für das Angebot, für beide Angebote, aber ich habe schon mit dem Raschtar gesprochen, und er meinte, ich hätte nicht das Recht zu klagen. Mit Pallwe werde ich nun sprechen. Ich zweifle jedoch, dass er euch viel zutraut, was das Flößen angeht.« Und damit humpelte Nokke davon.
Kurz darauf kam er zurück. »Pallwe meint, deine Krieger sollten sich um die Pferde kümmern und sie nur ja gut festhalten, denn der Ritt auf dem Fluss könnte nun wild und rau werden.«
Schon jetzt spürte Awin, dass das Floß schneller wurde, die Stromschnellen konnten nicht mehr weit sein. Yaman Jeswin schickte darauf die Krieger ans Gatter. Awin ging zu Merege, um sie um Hilfe zu bitten.
»Erwartest du, dass ich den Flößern mehr Licht biete, als es diese Fackeln könnten?«, fragte sie.
»Nein, aber ich weiß, dass du dich besser auf Pferde verstehst als jeder Hakul, und ich bitte dich, dort zu helfen, wenn es möglich ist.«
Merege nickte. »Du hast mit Isparra gesprochen?«, fragte sie.
»Ja, doch wollte sie keine meiner Fragen beantworten.«
»Sie sieht müde aus«, stellte die Kariwa fest.
»Dennoch verfügt sie noch über ein ausgezeichnetes Gehör«, sagte Awin warnend.
Merege zuckte mit den Achseln. »Ich fürchte sie nicht. Ich habe mit ihren Geschwistern gekämpft und sie besiegt. Und da waren die Xaima noch weit mächtiger, als sie es heute sind.«
Awin nickte. Damals hatte Merege die Stärke des Lichtsteins zur Verfügung gehabt, und keine Zweifel an ihrer Zauberkraft hatten sie geplagt. Aber es war wohl unnötig, das zu erwähnen.
Die Kariwa hatte das sicher nicht vergessen, und Isparra musste nicht alles wissen.
Ein dumpfes Poltern beendete die Unterhaltung.
»Nur ein Stein, ihr Hakul«, rief Nokke den aufgeschreckten Kriegern beruhigend zu.
»Aufgepasst, Männer, es geht los!«, brüllte Pallwe von ganz vorne.
»Heja, Jurma!«, antworteten die Flößer.
Merege lief zum Gatter, und
Weitere Kostenlose Bücher