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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ihm zu. Berke hätte Platz und Weide für viele Klans geboten.
     
    Am Mittag des dritten Tages ließen sie die lange Insel endlich hinter sich, und Ule lenkte ihr Gefährt nach Norden. Das Rudern ging ihnen inzwischen immer besser von der Hand, und wenn Ule wieder etwas Unverständliches rief oder brummte, klang es deutlich mehr nach Lob und Anerkennung als an den Vortagen. Im Westen tauchte das Festland auf. Es gab Birkenwälder und die eine oder andere Flussmündung, aber sonst sahen sie nur Marschland, nicht mehr als eine grüne Linie am Gesichtskreis, die ihnen sagte, dass sie noch auf dem richtigen Kurs waren. Am nächsten Tag kam Wind auf, Südwind, worüber Dalbis sich wunderte, denn dies, so erklärte er, sei sehr ungewöhnlich. Obwohl sie ohne Segel fuhren, half ihnen der Rückenwind zunächst. Dann wurde die See rauer, und wer nicht ruderte, musste mit seinem Helm das Wasser
aus dem Boot schöpfen, das über die hohe Bordwand spritzte. Die Hakul waren beunruhigt, doch die Fischer taten das als kleine Unannehmlichkeit ab und freuten sich, dass der Wind sie unterstützte. Es wurde nur wenig gesprochen. Wer ruderte, brauchte seinen Atem für die Arbeit, wer nicht ruderte, schöpfte Wasser oder versuchte zu schlafen. Nur Isparra saß schweigend in der Mitte des Bootes. Sie sah blass aus. Awin nahm sich vor, sie zu fragen, ob sie diesen hilfreichen Wind herbeigerufen hatte, aber das musste warten. Ihr Boot schnitt schnell durch die raue See, und Tuge, der im Bug saß, begann sich schon wieder zu sorgen, dass es zu glatt ging, um wirklich bis zum Ende gut zu gehen. Dann entdeckten sie ferne Rauchwolken, die in den blauen Frühsommerhimmel aufstiegen. Sie kamen zu dem Schluss, dass dort einzelne Gehöfte oder kleine Siedlungen brennen mussten.
    »Das heißt doch, dass wir dem Heer schon sehr nahe gekommen sind, oder nicht?«, rief Tuge, während er mit seinem Helm Wasser schöpfte.
    »Wir wissen nicht, wie lange diese Höfe schon brennen«, dämpfte Awin die Hoffnungen. Tatsächlich sahen sie den ganzen Tag, bis spät in die lange Dämmerung hinein, solche Rauchwolken über dem Land stehen, aber den Rauch oder das Licht vieler Feuer, die ihnen ein großes Heerlager angezeigt hätten, entdeckten sie nirgends. Mit dem Abend schlief auch der Südwind ein, und das Meer beruhigte sich. Als Awin mit Dalbis über das Heer und die Feuer sprach, nickte dieser und sagte: »Wir haben viele Hakul gesehen, bevor wir mit euch aufbrachen, denn viele Pferde und Männer trieben tot im Sund, und es war schwierig, die Netze auszuwerfen, denn wir mussten sehr darauf achten, dass sie nicht durch diese Leichen zerrissen wurden.«
    Die Hakul sahen einander betroffen an, aber sie sagten nichts
dazu. Awin wusste, dass er sich darüber freuen sollte, wenn sein Feind geschwächt wurde, aber er betrachtete diese Hakul nicht als seine Feinde. Sie waren verführt worden.
     
    Am fünften Tag ihrer Fahrt erspähte Awin weit voraus eine dunkle Linie über dem Meer.
    »Das sind die Berge des Schneelandes, Hakul. Es ist nicht mehr weit bis zur Einfahrt in den Aurisar«, erklärte Dalbis.
    »So sind wir bald am Ziel?«, fragte Awin erfreut.
    Dalbis lachte. »Nein, dieser Meeresarm ist sehr lang. Mehr als einen Tag werden wir brauchen, bis wir den Hafen von Marsa erreichen. Jedoch wird dieser Tag nicht enden, denn übermorgen ist Mittsommer, und die Sonne wird vielleicht hinter diesen Bergen verschwinden, aber untergehen wird sie nun für Tage nicht mehr.«
    Plötzlich begriff Awin, dass das bedeutete, dass er auch für mehrere Tage nicht auf die Reise des Geistes würde gehen können. Er hatte im Boot natürlich immer wieder mehrere Stunden Schlaf gefunden, aber geträumt hatte er nicht. Er dachte an seine letzte Reise zurück. Da war die Nacht schon kurz gewesen, und als die Sonne ihn erwischt hatte, war er halb blind umhergeirrt. Wenn Norgis nicht gewesen wäre, hätte sein Geist den Rückweg wohl nie gefunden.
    Die Berge waren inzwischen näher gerückt. Sie erhoben sich zur Rechten steil in den Himmel, während sich im Westen ausgedehnte, aber niedrigere Anhöhen zeigten. Gerade voraus erspähte Awin eine graue Lücke. Das musste die Einfahrt zum Meeresarm sein, von der Dalbis gesprochen hatte. Bei der nächsten Pause hangelte er sich wieder nach vorne, um Merege noch einmal nach Senis und ihrem Ritual der Reise zu fragen.
    »Erinnerst du dich an den Sprung, als ich dich am Glutrücken aus der Schlacht fortbrachte?«, fragte die Kariwa.

    Awin

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