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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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angestrengt nach Nordwesten starrte.
    Sie hatte ihn natürlich gehört. Jetzt flüsterte sie in Awins Ohr: »Es ist besser, das Boot zu verlassen. Meine Geschwister spüren meine Annäherung vielleicht. Und in dieser Nussschale könnten wir uns kaum wehren, wenn Nyet oder Seweti ihre Kräfte über das Wasser schicken.«
    Ule schrie leise auf und hielt sich entsetzt die Ohren zu. Also hatte auch er Isparras Stimme vernommen. Awin hatte wieder das Gefühl, dass die Unsterbliche dicht hinter ihm stand, obwohl sie in Wirklichkeit mehr als eine halbe Bootslänge von ihm entfernt war.
    »Wie weit ist es denn noch bis nach Marsa?«, fragte Awin.
    »Am Mittag wären wir dort, wenn Ule sich an das hielte, was er uns in Berke versprochen hat«, sagte Merege zornig. »Gehen wir jedoch hier an Land, müssen wir diesen Berg vor uns überwinden. Wenn wir Glück haben, bekommen wir auf der anderen Seite ein paar Pferde. Dann können wir am Abend in der Stadt sein - auch wenn es so etwas wie Abend am Mittsommertag nicht gibt.«
    Awin musterte den felsigen Berg. Er schob sich wirklich weit in den Wasserarm hinaus, und damit nah an das andere Ufer. Feuer loderten dort. Er verstand, dass Ule es für zu gefährlich hielt, die Felsen im Boot zu umrunden. »Heißt das, wir können Eri nicht überholen?«, fragte er.
    »Einige Krieger sind noch dort drüben, gerade uns gegenüber, doch die meisten Reiter sind weitergezogen. Sie werden
vor uns das Ende dieses Meeresarmes erreichen, wenn sie nicht aufgehalten werden«, erklärte Isparra ruhig.
    Awin unterdrückte einen Fluch. »Ruhm und Ehre wären dir gewiss, wenn du uns vor unseren Feinden nach Marsa brächtest, ehrwürdiger Ule«, versuchte er, den Mann zu überzeugen. Doch dieser Fischer war kein Hakul, den er mit Ruhm hätte ködern können, wie er feststellen musste, denn Ule schüttelte den Kopf, stieß einen leisen Pfiff aus, und seine Männer begannen, das Boot ans Ufer zu lenken. Es brauchte nur wenige Schläge, und das Boot schob sich zwischen zwei schwarzen Felsen an Land.
    Vor Awin ragte der steile Berg schier in den Himmel. Hatte Merege nicht gesagt, dass sie den überwinden mussten? Ihm sank der Mut. Sie waren so dicht davor gewesen, Eri endlich zu überholen, aber nun wurde es wieder nichts. Er weckte die anderen und teilte ihnen die schlechten Neuigkeiten mit. Die Fischer sprangen ins flache Wasser und vertäuten das Boot an einem der Felsen, bis die Hakul und ihre Gefährten ihre Sachen an Land gebracht hatten.
    »Du wirst dein Eisen trotzdem bekommen«, versicherte Merege Ule. Aber der winkte nur ab. Er rief seinen Männern etwas zu, was Awin wieder nicht verstand, und sie kletterten eilig ins Boot. Merege machte das Seil los, eine Welle hob das Boot an und trug es ein Stück vom Ufer weg. Dann tauchten die Fischer schon ihre Ruder ein, wendeten und verschwanden schnell nach Süden. Awin blickte ihnen noch lange nach. Dann wandte er sich um. Die Steilwand vor ihnen war nicht kleiner geworden.
    Tuge schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. »Kopf hoch, mein Junge. Immerhin, wir haben das Schneeland erreicht, und ich muss sagen, das ist etwas, was ich bei unserem Aufbruch nicht für möglich gehalten hätte.«

    Awin lächelte schwach. Es war wirklich erstaunlich, dass sie so weit gekommen waren. Es hieß aber leider auch, dass sie es nicht vermocht hatten, Eri vorher aufzuhalten. Und jetzt war er, nur durch einen Meeresarm von ihnen getrennt, ebenfalls im Schneeland eingetroffen, und das Skroltor war nicht mehr weit. Er war ihnen immer noch einen Schritt voraus, und Awin hatte große Zweifel, dass es ihnen gelingen würde, ihn aufzuhalten. Er dachte mit Schaudern an die Bilder, die er auf seiner Reise gesehen hatte. Eri, der mit einer Axt das Siegel des Skroltors zerschlug, die Daimonen, die auf das offene Tor einstürmten, mit solcher Gewalt, dass die Berge einstürzten, und dann das Bild der sterbenden Merege. Mit aller Macht schien ein unerbittliches Schicksal genau auf dieses fürchterliche Ende hinauszulaufen. Und Awin fühlte sich, als stemme er sich ganz allein gegen das Verhängnis, hilflos, fast wie ein Grashalm, der sich gegen einen Sturm stellte.

Schneeland
    »WENN DU DAMIT fertig bist, deinen Gedanken nachzuhängen, könntest du dein Gepäck aufsammeln, Awin«, sagte Wela.
    Awin runzelte die Stirn. Wela gebärdete sich seit einigen Tagen mehr und mehr als Antreiberin. Aber natürlich hatte sie Recht. Er hängte sich den Schild über die Schulter, griff sich

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