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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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wir kennen diese Felsen gut genug, um sie zu meiden.«
    Awin runzelte die Stirn. Der Fischer hatte Recht: Es war gut möglich, dass dort am Ufer Hakul waren. Nachzügler vielleicht, aufgehalten durch Plünderungen. »So bewahrt doch Ruhe«, flüsterte Isparra kalt im Wind. »Ich kann meine Geschwister schon spüren.«
    Eine Weile blieb es still im Boot. Nur das Rauschen ihrer Ruder im Wasser war zu hören. Aber zum zweiten Mal hatte die Windskrole offenbart, wer sie wirklich war. Beim ersten Mal hatten die Fischer vielleicht noch geglaubt, sich verhört zu haben, doch jetzt warfen sie einander Blicke zu, die zeigten, dass sie die Täuschung zu durchschauen begannen. Sie ruderten langsamer.
    »Hat sie wirklich Geschwister gesagt?«, fragte Dalbis flüsternd.

    »Du solltest ihrem Rat folgen und schweigen«, wich Awin aus.
    Eine Weile blieb Dalbis still. »Dann ist sie nicht, was ihr gesagt habt, Awin«, stellte er plötzlich fest.
    Awin zog das Ruder durchs Wasser und schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Sie hatten die Fischer getäuscht. Nicht in böser Absicht zwar, aber dennoch war es eine Lüge. Den ganzen Tag ruderten sie das Boot in angespannter Stille weiter den lang gezogenen Meeresarm hinauf nach Norden. Manchmal war es Awin, als würde der Wind aus der Ferne Schreie herübertragen, aber das waren vielleicht auch nur die Möwen oder andere Seevögel, die es hier in großer Zahl gab.
     
    Als Awin zum nächsten Mal sein Ruder an Limdin übergab, war es schon spät. Die Sonne stand tief über den fernen Bergen, die nun auch auf der nordwestlichen Seite bis an den Meeresarm herangerückt waren. Awin lehnte sich zurück und schloss die Augen. Es war ihm viel zu hell, um zu schlafen. Im Staubland ist es sicher schon seit Stunden dunkel , dachte er - und schlief ein.
    »Öffne die Augen, Seher«, rief ihm eine helle Stimme zu.
    Er setzte sich auf. Er war allein im Boot, das durch einen dichten Nebel trieb. »Ich träume«, sagte er laut.
    »Natürlich träumst du, und es wurde auch Zeit, dass dein Geist sich endlich öffnet«, schimpfte die Stimme.
    Awin wandte sich um. Da saß eine weißhaarige Frau auf einem Felsen, dicht neben dem Boot. »Senis!«, rief er überrascht.
    Sie nickte grimmig. »Höre, Seher, uns bleibt nicht viel Zeit. Es wird Mittsommer, das heißt, ich kann meinen Leib in den nächsten vier Tagen nicht ins Schneeland reisen lassen. Du wirst gleich erwachen. Sollten diese verfluchten Skrole das Tor
wirklich erreichen, dann halte sie auf, bis die Sonne untergegangen ist.«
    »Wozu?«, fragte Awin begriffsstutzig. Senis antwortete nicht, denn sie war fort. Awin erwachte. Die endlose Dämmerung hatte den Himmel blassgrau gefärbt. Er setzte sich auf. Da war der Stein, auf dem er eben Senis gesehen hatte. Aber die Kariwa war nicht dort. Und noch etwas anderes stimmte nicht. Das Boot trieb träge in den Wellen. Es wurde nicht gerudert! »Was ist geschehen?«, fragte er.
    »Es ist Ule. Er will uns nicht weiter fahren, Yaman«, erklärte Limdin flüsternd.
    Jetzt hörte er den Fischer leise mit Merege streiten. Awin stand auf. Ihr Boot lag dicht unter Land. Vor ihnen ragte ein steiler Berg auf, der sich weit ins Wasser hinausschob. Es roch verbrannt. Rauchschwaden zogen über das Wasser. Sie kamen vom anderen Ufer. Feuerschein erhellte dort den Himmel, und Awin schien es, als mischten sich die Schreie von Menschen unter die der Seevögel. Er schüttelte die Müdigkeit ab und kletterte nach vorne. Praane und Wela lagen dort dicht beieinander. Auch Tuge und Mabak schliefen tief und fest. Nur Merege und die Fischer waren wach und stritten.
    »Es ist hoffnungslos, Awin«, begrüßte ihn die Kariwa düster. »Dieser tapfere Mann will nicht weiter nach Norden.«
    »Willst du vielleicht mehr Eisen, ehrwürdiger Ule?«, fragte Awin.
    Dieser schüttelte den Kopf, murmelte missmutig einige Sätze vor sich hin, aber dann sagte er plötzlich so deutlich, dass auch Awin ihn verstand: »Nerne will Eisen, ich nicht. Ich bin Fischer, das ist genug. Aber Nerne will mehr, immer mehr. Nie ist sie zufrieden.« Er sprach noch weiter, aber nach diesen wenigen klaren Worten verfiel Ule wieder in sein unverständliches Gemurmel.

    »Warum willst du uns denn nicht weiter in den Norden bringen?«, fragte Awin.
    Wieder bekam er eine undeutliche Antwort, aus der er die Worte, »zu gefährlich«, »Feuer«, und »Lüge« heraushörte. Dabei wies der Fischer mit dem Kinn auf Isparra, die in der Mitte des Bootes saß und

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