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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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er mich durch die dichtesten Blätter hindurch noch sehen. Ihr wisst, ich habe in vielen Kämpfen meinen Mann gestanden, und Furcht ist mir fremd, doch der Anblick dieses Reiters ließ mich schaudern, denn er hatte den Kopf und Rücken eines Wolfs, aber die Hände und Beine eines Mannes. Auch sein Ross schien zum Teil Wolf zu sein, und ich sah Rauch aus Nüstern und Maul quellen, ja, ich bin sicher, wenn der Reiter es befohlen hätte, hätte es Feuer gespien.«
    »Suog«, murmelten die Akradhai andächtig, und Awin lief ein seltsamer Schauer über den Rücken.
    »Ja, so ist es, Suog, der Geist des Grünlands, ritt durch den Wald, aufgeschreckt durch die rücksichtslosen Horden der Hakul. Und er hatte eine Botschaft für uns. Er sagte: Es werden Reiter zu euch kommen. Aus der Steppe. Mit ihnen reitet tausendfacher Tod und nach ihnen kommt das Ende der Welt. Das waren seine Worte, so wahr ich hier sitze.«
    »Aber er sagte doch noch mehr, oder?«, rief eine der Frauen dazwischen.
    Praane warf ihr einen bösen Blick zu. »Du solltest besser schweigen, Sala!«
    »Das stimmt, sie sollte Nokke ausreden lassen. Denn ich sehe , dass er noch etwas hinzufügen wollte«, warf Awin ein und legte viel Nachdruck in seine Worte. Solange die Leute glaubten, dass er noch ein Seher war, solange musste er diesen Vorteil nutzen.
    Nokke blickte unruhig zu Praane, der ihm schließlich missmutig zunickte. »Suog sagte … er sagte, ihr dürftet den Wald nicht lebend verlassen«, stieß der Bucklige schließlich hervor.
    Jetzt war es an den Hakul, einander besorgte Blicke zuzuwerfen. Awin spürte, wie die Anspannung, die gerade etwas
nachgelassen hatte, zurückkehrte. »Ich kann verstehen, dass du uns diesen Teil vorenthalten wolltest, Nokke. Doch sag mir, was danach geschah«, forderte Awin, und es gelang ihm, seine tiefe Beunruhigung zu überspielen.
    »Er … er ritt davon, tiefer in den Wald hinein. Und dann, bei Hirth, heulten plötzlich alle Wölfe. Ja, es war Suog, und er hat uns vor euch gewarnt, Hakul«, beschloss Nokke seine Geschichte, und er blickte dabei zu Boden.
    Awin bemerkte, dass die Bogenschützen auf den Dächern nach ihren Pfeilen griffen. Aber auch die Hakul hatten ihre Hände an den Waffen. Das heilige Gastrecht schien vergessen.
    »Und habt ihr jetzt vor, uns am Verlassen des Waldes zu hindern?«, fragte Yaman Jeswin ungehalten. Awin überlegte fieberhaft, wie er das heraufziehende Unglück verhindern könnte. Ore Praane kam ihm jedoch zuvor: »Suog ist ein böser Geist, Hakul. Es wäre dumm, auf ihn zu hören. Und wir sind nicht dumm.«

Belagerung
    DIE MÄNNER UNTERHIELTEN sich leise, doch Akradhai sprachen nur mit Akradhai, Hakul nur mit Hakul. Nur die Kinder, die sich im Eingang des Hauses drängten, betrachteten die fremden Reiter tuschelnd und mit unverhohlener Neugier, und wenn Yaman Jeswin so tat, als wolle er aufspringen und sich auf sie stürzen, liefen sie schreiend und lachend zurück ins Haus, nur um bald darauf zurückzukehren und das Spiel von vorne zu beginnen. Awin war nicht sehr zuversichtlich, dass die Nacht so ruhig bleiben würde. Es gab schließlich noch Feinde draußen im Wald. Er hatte sich nicht getäuscht. Bald drangen Rufe aus dem Wald. Raue Stimmen, die sich einzelne Laute zuriefen, dunkle Vogelrufe nachahmten oder gar wie die Wölfe heulten. Sie kamen von allen Seiten. Am Feuer kehrte Schweigen ein, und die Kinder lachten nicht mehr. Dann kam das Stampfen dazu, das Klappern, das sie schon kannten.
    »Werden sie angreifen, Ore?«, fragte Yaman Jeswin.
    Praane lauschte auf die dunklen Laute. »Nicht vor dem Morgen, denke ich. Vermutlich warten sie darauf, dass ihr wieder verschwindet.«
    Tuge brummte unzufrieden: »An ihrer Stelle würde ich zwei oder drei Dutzend Brandpfeile schicken, um uns auf die Lichtung zu treiben. Denn wenn diese Strohdächer einmal brennen, ist der Hof schnell verloren. Sie hätten leichtes Spiel.«
    »Das werden sie nicht tun«, gab sich Ore Praane zuversichtlich.

    »Natürlich nicht«, stimmte Awin zu. »Ein Feuer würde doch das vernichten, was sie wollen, nämlich die Vorräte.«
    »Seit wann berauben sich die Ackerleute eigentlich gegenseitig?«, fragte Yaman Jeswin.
    Die Gespräche verstummten.
    »Seit die Not durch die Hakul so groß ist«, erwiderte Praane scharf.
    Awin sah die Gesichter der Akradhai, die Blicke, die sie sich zuwarfen. Jetzt wusste er, was hier vor sich ging. Er räusperte sich und sagte betont ruhig: »Ich denke, es hängt auch damit

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