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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Häuser nicht durch einen weiteren Wall? Es ist für einen Angreifer nicht schwer, auf das Dach zu gelangen.«
    »Bislang war das nie nötig, Hakul«, antwortete Praane. »Unsere Ansiedlung ist jung, erst wenige Jahre alt. Sie ist hinreichend geschützt, um uns gegen das Unsichtbare Volk zu verteidigen, aber noch nicht, um gegen unsere eigenen Leute zu kämpfen.«
    »Das Unsichtbare Volk?«, fragte Tuge.
    »Die Unsichtbaren, die Nebelleute, so nennen wir die, die schon immer in diesem Wald und in den Sümpfen wohnen. Es gibt sie, doch sie meiden andere Menschen und lassen sich nicht sehen. Seit zehn Jahren lebe ich nun in diesem Wald, ich habe ihn der Länge und der Breite nach durchwandert, und ich bin sicher, ich bin ihnen auf der Jagd schon oft nahe gewesen, aber noch nie habe ich einen von ihnen zu Gesicht bekommen.«
    »Ich hörte, sie stehen unter dem Schutz einer Alfskrole«, warf Jeswin kauend ein.

    »Die Behüterin wird sie genannt, und wir nennen sie nicht mit jenem Wort, das du soeben benutzt hast, Yaman, denn wir wollen sie nicht beleidigen. Wir hatten Ärger mit ihrem Volk, zu Beginn. Manchmal kam ein Pfeil aus dem Nichts, kleiner als ein Geschoss der Hakul, aber ebenso tödlich, und wir haben einige Gräber ausheben müssen. Aber dann erinnerten wir uns an einen Rat, den ein wandernder Maghai unseren Brüdern im Grünland vor vielen Jahren gab.«
    »Diese klappernden Holzgebinde, die in den Ästen hängen!«, rief Awin.
    Praane nickte. »Ihr habt sie gefunden? Es hält sie fern von uns.«
    »Und ihr habt eure Wege nach Borre ebenfalls mit diesen Gebinden gegen die Unsichtbaren gesichert«, ergänzte Awin, der plötzlich den Sinn dieser Maßnahme begriff.
    »Du bist klug«, meinte Praane anerkennend.
    »Er ist ein Seher«, warf der junge Mabak ein.
    Die Akradhai sahen einander an. »So hat deine Gabe euch hierhergeführt?«, fragte der bucklige Nokke.
    »Eigentlich vor allem der breite Weg, den ihr in den Wald geschlagen habt. Eine beachtliche Leistung in so wenigen Jahren«, erwiderte Awin.
    Praane lächelte. »Wir stehen auf den Schultern unserer Väter, wie wir Akradhai sagen. Es gab bereits früher ein Jägerlager an dieser Stelle, aber das haben die Unsichtbaren eines Tages zerstört.«
    »Aber der Überfall heute, das waren keine Unsichtbaren, sondern eure eigenen Brüder, oder?«, fragte Lamban.
    Praane wurde ernst. »Du hast Recht, Hakul. Es waren unsere eigenen Leute. Sie flohen vor dem großen Heer der Hakul aus dem Grünland in den Wald. Ich nehme an, es sind noch weit mehr Flüchtlinge am Rand des Femewaldes, so wie
auch immer noch versprengte Hakul durch das Grünland ziehen. Die Angreifer aber hatten wohl von uns gehört, jedenfalls kamen sie, um uns das Wenige zu nehmen, was wir haben.«
    »Und warum habt ihr ihnen nicht einen Teil davon abgegeben, es hätte den Kampf vielleicht verhindert?«, fragte Wela vorwurfsvoll.
    »Es ist seltsam, Heilerin, dass die Räuber Mildtätigkeit einfordern«, entgegnete Praane gelassen, »denn die da draußen wären nicht am Bettelstab, wenn die Hakul sie nicht heimgesucht hätten. Ich jedenfalls bin verpflichtet, zuerst meine Sippe und meine Gefährten zu versorgen.«
    Awin dachte über das Gehörte nach. Er konnte fast schmecken, dass da etwas nicht stimmte. Das Wenige, was sie hatten? Die Kammer war fast zu klein für die Vorräte, und im Stall stand genug Vieh für hundert Menschen. Er fragte sich, woher dieser Reichtum stammen mochte. Mahuk hatte davon gesprochen, dass der Mann vor dem Gehöft im Zorn gestorben war. War das der Hass, weil diese hier noch hatten, was jenen genommen worden war? Er ahnte, dass es um mehr ging, aber er beschloss, erst ein anderes Rätsel zu lösen, das ihn beschäftigte, seit sie hier eingetroffen waren. Es ging um das, was Nokke auf dem Dach gesagt hatte. »Ihr habt uns erwartet, oder?«, fragte er.
    Praane blickte ihn überrascht an, und die Akradhai raunten einander zu. Awin meinte, gelegentlich das Wort »Seher« zu hören.
    »Wir wurden vor euch gewarnt, das ist richtig«, antwortete der Ore schließlich.
    »Von wem?«, fragte Wela.
    »Nokke?«, forderte Praane den Buckligen zur Antwort auf.
    Der beugte sich vor und stocherte mit einem Ast nachdenklich in der Glut, bevor er antwortete: »Ich stand gestern im Morgengrauen auf Wache am Weg ins Grünland, als ich
plötzlich Hufschlag hörte. Ich verbarg mich tief im Dickicht, und ich bin darin geübt, wie wir alle, doch der Reiter hielt sein Tier an, gerade, als könne

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