Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
Lamban übellaunig.
»Wir wollen aber mit ihnen verhandeln«, rief ihm Awin in Erinnerung.
Der Pferdezüchter schnaubte verächtlich.
»Vielleicht können wir aber wenigstens dafür sorgen, dass dieser lästige Hagel aufhört«, sagte Tuge halblaut. »Lass mich und Mabak nur machen, Awin.«
»Gut, aber erst will ich versuchen, mit ihnen zu reden.«
Lamban schüttelte den Kopf, und Tuge zuckte mit den Schultern, als glaube er nicht an den Erfolg dieses Versuchs, aber mit Mabak folgte er Awin, der auf das Dach des Wohnhauses kletterte. Praane war ebenfalls dort. Die Morgendämmerung war noch nicht sehr weit fortgeschritten. Zwielicht lag über der Lichtung, und es war kalt.
»Das Wetter ist nicht sehr gut heute, wie mir scheint«, begrüßte ihn der Ore grimmig. »Es hagelt!«
Awin nickte. »Hast du versucht, mit ihnen zu reden?«
»Nein, ich will damit warten, bis der Steinschlag aufhört.«
»Ich fürchte, es gibt sehr viele Steine in diesem Wald«, meinte Tuge trocken.
Mabak riss seinen Schild hoch und wehrte einen Stein ab.
»Haltet mir den Rücken frei!«, sagte Awin. Er sprang auf, formte die Hände zu einem Trichter und rief: »Hier spricht Yaman Awin von den Hakul. Wir bieten euch Verhandlungen an.«
Hohngelächter antwortete ihm, und dann hörte Awin Steine heransausen. Aber da lag er schon wieder flach hinter dem Dachfirst. Ein Stein durchschlug neben ihm das Stroh. Ein zweiter folgte.
»Wenn sie uns hinter dem First noch sehen können, müssen sie irgendwo in den Bäumen stecken«, meinte Tuge und spannte seinen Bogen.
»Dort! Ich sehe einen!«, rief Mabak leise. Auch er legte einen Pfeil auf die Sehne.
»Yaman?«, fragte Tuge.
Awin seufzte und nickte. »Aber nur den einen«, mahnte er.
Ein zweifaches Sirren erklang. Es durchschnitt hell das leise Sausen der geschleuderten Steine, zog über die Lichtung und verklang. Ein erstickter Schrei antwortete. Dann brachen Äste, und ein schwerer Aufschlag verriet, dass dort ein Mann vom Baum gestürzt war.
»Bemerkenswert«, lobte Praane leise. Wieder kamen einige Steine aus der Dunkelheit des Waldes herangeschwirrt, und Tuge stöhnte auf und fluchte: »Bei Mareket, meine Rippen. Sie haben mich getroffen!«
Mabak sandte zur Antwort einen Pfeil in den Wald. Mehrere
Rote Hakul sprangen jetzt ebenfalls auf die Dächer und schossen Pfeile ab. Ein Schrei verriet, dass sie getroffen hatten. Dann ertönte im Dickicht ein durchdringender doppelter Pfiff, und der Steinhagel endete.
»Ist es sehr schlimm?«, fragte Awin besorgt.
»Nein, nur schmerzhaft, Yaman. War wohl mehr der Schreck«, erklärte Tuge, konnte dabei ein leichtes Stöhnen aber nicht unterdrücken.
»Ihr hattet Erfolg, es hat aufgehört«, meinte Praane.
Awin reckte sich. Nichts rührte sich am Waldrand. »Seid ihr jetzt bereit, zu verhandeln, oder wollt ihr noch mehr Männer verlieren?«, rief er laut. Er bekam keine Antwort. Eine Weile blieb es still, dann begann wieder das dumpfe Stampfen und das leise, bedrohliche Schnarren und Klappern der Grünländer. Die Belagerung dauerte also fort.
»Ich habe Kraut gegen den Schmerz. Gelbe Bergblume«, sagte Mahuk, der mit Wela gemeinsam die Wunde des Bogners begutachtete.
»Halb so wild«, meinte Tuge, der mit verkniffener Miene im Stall auf einem Haufen Stroh lag. Karak gab mit einer Fackel Licht. Sein Blick ruhte beinahe ängstlich auf seinem Vater.
»Eine Rippe, geprellt, vielleicht gebrochen«, urteilte Wela. »Du solltest ruhen.«
»Es ist nichts«, murmelte der Bogner und machte Anstalten, sich zu erheben.
»Wirklich?«, fragte Wela lächelnd und drückte mit einem Finger leicht auf die Wunde.
Tuge schrie leise auf, verfärbte sich und fiel ächzend zurück ins Stroh. »Wela! Du verfluchte Dienerin des Schmerzes!«, stöhnte er.
»Der Schmerz dient ebenso der Heilung wie ich, Onkel Tuge, und wir beide raten dir, vorerst hier liegen zu bleiben.
Du wirst noch genug Gelegenheit haben, dich zu quälen, wenn wir erst wieder im Sattel sitzen. Ich gehe Wasser holen, denn diese Wunde muss gekühlt werden.«
»Jetzt das Kraut gegen den Schmerz, Hakul?«, fragte Mahuk freundlich.
»Zur Unterwelt mit dir und deinen … ach, gib schon her, Ussar«, meinte Tuge und schloss die Augen.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Awin, der zugesehen hatte.
»Er wird nicht daran sterben. Ein paar Tage Ruhe wären das Beste für ihn«, sagte Wela halblaut.
»Ich fürchte, die können wir ihm kaum gewähren«, meinte Awin.
»Aber wenn ich das richtig
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