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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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beide Kleidungsstücke nach unten und kniete nieder. Seine Finger fanden ihr Ziel, drückten und kneteten und zerrten und rieben, und Nervosität und beunruhigende Gedanken ertranken nach und nach unter Vorstellungen von Sünde und Fantasien von exquisiter Schamlosigkeit … das pulsierende Gefühl stellte sich ein und floss langsam in seine Lenden … er massierte und schüttelte und kitzelte … er hörte seinen Atem schneller werden … keine Nervosität mehr, keine Gedanken … doch schon nahte mit denansteigenden Wellen der Lust das schale Wissen, dass es eine Erlösung geben würde, aber keine Erfüllung … niemals würde es Erfüllung geben … nur ihn und seine Hände und das schwache Zucken, das sich anzukündigen begann … und den kurzen, wohltuenden Abschied von seinen Gedanken.
    Samuel ben Lemel starb den kurzen Tod, nach dem es alle Männer verlangt, und als er schwer atmend wieder von den Toten auferstand, hatte das Gepolter in dem Raum über ihm gerade aufgehört, er hörte einen schweren Fall und dann den dumpf wie den Aufprall eines Rammbocks dröhnenden Knall der Tür, der ihm sagte, jemand war in das Haus eingedrungen, der dort nichts zu suchen hatte.
    Und ganz anderswo sah ein kleiner Junge, dessen leiblicher Vater ein rücksichtsloser venezianischer Kaufmann und dessen leibliche Mutter eine mutige ehemalige Kurtisane war und der seinen Rufnamen einem aufrechten Polizisten verdankte, welcher zu seiner Zeit einen langen und tiefen Schluck aus dem Kelch getan und ihn beinahe nicht überlebt hätte, aus einem Fenster. Er starrte in das blitzezüngelnde Maul des Ungeheuers und sagte: »Ich möchte jetzt nach Hause«, und der Mann, der mit finsterem Gesicht hinter ihm stand, antwortete: »Das kann ich nicht zulassen.«

    Die Tür schwang langsam auf, schlug gegen die Wand dahinter und schwang ebenso gemächlich wieder zurück. Der Wind pfiff in dem dunklen Gang, der dahinter gähnte. Ein Blitz erhellte die Szenerie zu kurz, um mehr zu tun als Umrisse in meine Augen einzubrennen: ein niedriges Kreuzrippengewölbe, Türen, eine enge Steintreppe, die im Hintergrund nach oben führte. Aus Miechowitas Haus drangen der Geruch von lang vergangener Essenszubereitung und laut hallende Stille. Ich streckte die Hand aus, um die Tür aufzuhalten, aber sie hätte sich ohnehin nicht geschlossen: Etwas lag auf dem Boden und hinderte sie daran. Ich bückte mich danach und hob es auf – ein Schwamm.Vermutlich der, mit dem der Hausknecht die Wand zu reinigen versucht hatte. Ich wechselte einen Blick mit Jana. Wir wussten beide, dass etwas nicht stimmte.
    »Uns läuft die Zeit davon«, sagte ich.
    Jana nickte. Sie schob sich an mir vorbei und trat in den Gang. » Fryderyk? Co się stało ?«
    Ich ließ den Schwamm fallen und folgte ihr. Als wir am Fuß der Treppe angekommen waren, fiel die Tür so laut krachend ins Schloss, dass der Knall von den Wänden abzuprallen und wie ein Ball zwischen ihnen entlangzuschleudern schien. Wir fuhren herum. Ich sah bullige Schatten, die sich von den Wänden lösten und auf uns zuglitten, aber es waren nur Einbildungen. Die Dunkelheit war in den ersten Momenten absolut, dann zuckte es fahl von der Treppe herunter. Miechowitas Haus war mindestens ebenso alt wie das Janas und dämpfte mit seinen dicken Mauern das Grollen des Donners. Das Licht der Blitze konnte es nicht draußen halten. Wir stiegen die Treppe empor; die flackernde Augenblicksbeleuchtung ließ Jana, die einige Stufen über mir war, scheinbar groteske Sprünge vollführen, ein kranker Tanz auf Treppenstufen, deren Schatten hierhin und dorthin zuckten und selbst mitzutanzen schienen. Das Innere des Hauses war so kühl wie alle alten Häuser. Ich begann zu frieren, aber es war nicht zur Gänze der Kälte zuzuschreiben. Irgendein Trick des Windes oder ein Nachhall von irgendwo ließ ein fernes Geräusch entstehen, das wie Rufen klang, doch kaum hatte ich mich darauf konzentriert, als ich es schon nicht mehr hörte.
    »Sie sind alle weg«, sagte Jana, als wir im Obergeschoss angekommen waren. Sie hob dennoch die Stimme und rief: »Fryderyk? Fryderyk Miechowita?«
    Ich erinnerte mich plötzlich an meine Vision, als ich in Janas Haus im Saal gestanden war und erfahren hatte, Jana sei zu Miechowita gegangen – war ich nicht in dieser Vision schon einmal hier gewesen und hatte Türen eingetreten, um zu Jana zu gelangen? Im Lichtfeuer der Blitze spürte ich mehr, als dass ich es sah,dass die Topografie des Hausinneren ganz

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