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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sagt, Sie haben den Vorkoster von König Kasimir vergiftet.«
    Mojzesz Fiszel setzte Paolo auf dem Boden ab und ergriff meine ausgestreckte Hand. Ich erwiderte seinen Händedruck. Auf Mojzesz’ kahlem Schädel glitzerte mehr als nur das übliche feine Netz an Schweißperlen. Sein Atem ging schnell.
    »Preise den Herrn, Peter Bernward«, sagte er. »Ich habe die halbe Stadt nach dir abgesucht. Es geht um Leben und Tod.«

    Ich hatte gedacht, Mojzesz wollte mich nur mit hinausnehmen, um mir seine Sorgen zu offenbaren, ohne dass der Goldschmied zuhörte; doch der Griff der Bankiershand, die in Größe und Kraft durchaus zum restlichen Körper passte, ließ meinen Oberarm nicht los, und so fühlte ich mich nicht nur halb die Treppenstufen hinaufgetragen, sondern förmlich weitergeschleppt, kaum, dass wir in die Gasse emporgestiegen waren. Ich stemmte die Füße ein.
    »Warte mal, warte mal. Wo willst du denn hin?«
    Mojzesz starrte mich an. Er erkannte, dass er sein Barett in der linken Hand zerknüllte, und stülpte es auf seine Glatze. Es sah aus, als sei es vom nächsten Hausdach gefallen und zufällig auf seinem Schädel gelandet. Paolo sprang die Stufen hoch und zu uns herüber.
    »Onkel Mojzesz, Sie haben Ihren Hut verkehrt herum auf!«
    »Zum Schnitzer«, stieß Mojzesz hervor.
    » Wohin ?«
    »Wit Stwosz. Du kennst Wit Stwosz.« Er versuchte erneut, mich vorwärts zu zerren. Ich löste seine Hand von meinem Oberarm – ich musste seine Finger geradezu aufbiegen – und hielt seine Rechte fest. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Goldschmied die letzte Stufe zur Gasse herauf erklomm und uns beobachtete. Mir fiel ein, dass er noch immer Janas Ring hatte.
    »Natürlich kenne ich ihn.« Ich nahm eine Feldherrnpose ein und streckte die freie linke Hand aus, als würde ich Heerscharen von meinem Hügel aus dirigieren. »Dort noch ’e bissle was wegmeißle, Kreuzteufel, und hier noch ’e bissle mehr Goldblättle, Himmelherrgott, und dort drüben noch ’e bissle mehr Rundung, Höllenpest, und dass das hier fertig wird, ich hab nicht das ganze Leben Zeit, beeilt euch mal ’e bissle, ich bin jetzt bis abends beim König, Kreuzsack!« Mojzesz sah mich mit aufgerissenen Augen an. Ich zuckte mit den Schultern. »Einer von Janas Agenten hat einen Sohn dort als Lehrling.«
    »Ganz Krakau hat einen Sohn dort als Lehrling«, grollte Mojzesz.
    »Ist ihm was zugestoßen?«
    »Nein.«
    »Braucht er kaufmännischen Rat für ein Geschäft? Das kannst du doch besser als ich …«
    »Nein.«
    »Hat er … hat er sich bei einem jüdischen Geldverleiher verschuldet?« Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf beim Gedanken daran, dass der reiche Veit Stoß – Wit Stwosz – dem der Stadtrat nicht nur die Steuern erlassen hatte, sondern ihm buchstäblich den Hintern vergoldete für seine Arbeit am Hochaltar des Mariendoms –, dass dieser ständig aufgeregte, ständig fluchende, ständig voller Angst zitternde, dass seine kleine Armee aus Lehrlingen und Gesellen seinem Werk schaden könnte, sich in alles einmischende Schwabe sich noch eine weitere Sorge aufgeladen haben könnte … und dann ausgerechnet die um Geld.
    » nein !«, rief Mojzesz. Er holte Atem.
    »Worum geht es dann? Es ist schon Vesperzeit … wer empfängt um diese Stunde noch unangemeldeten Besuch? … und ich habe selber …« Ich gestikulierte zu dem Goldschmied hinüber, der es als Aufforderung nahm, zu uns herüberzustapfen. Er hielt Janas Ring in die Höhe und bemühte sich um ein Lächeln.
    »Vierzig Prozent«, sagte er. »Das ist das mindeste, was ich an Vorschuss verlangen muss.«
    »Das ist weniger als die Hälfte. Vorher haben Sie noch gesagt, Sie müssen die Hälfte haben«, erklärte Paolo. Der Goldschmied schenkte ihm einen langen Seitenblick. Paolo war unbeeindruckt. »Die Hälfte ist nämlich fünfzig Prozent.«
    Der Goldschmied machte Anstalten, mir den Ring zurückzugeben.
    »Sie wollen die Arbeit so schnell fertig haben, nicht ich«, sagte er.
    »Vierzig Prozent ist nicht mehr so weit von dreißig weg«, erwiderte ich. »Und das wollte ich Ihnen ohnehin geben. Sicher können wir uns bei dreißig treffen …«
    »Peter, bitte …« Mojzesz Fiszel packte erneut meinen Arm.
    »Mojzesz, gleich. Ich brauche den Ring zum Fest der heiligen Radegundis, das weißt du doch genauso gut wie ich. Hat König Kasimir dir eigentlich schon geantwortet?«
    Der Bankier blinzelte. Wenn er eine Charaktereigenschaft besaß, die seinem Körperbau entsprach, dann die, für

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