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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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es geschah nicht mit Absicht.«
    »Die Seniores unserer Gemeinde haben im letzten Jahr einen Vertrag unterzeichnen müssen, der unsere Rechte in Krakau und der Umgebung schlimm beschnitten hat. Sehen Sie, die Wohlhabenden unter uns dürfen nur noch das Pfandleihgeschäft betreiben – und auch das nur an zwei Tagen in der Woche. Sie haben Glück, nein, eher richtigen massel , dass heute ausgerechnet einer der Tage ist, sonst hätten Sie mich gar nicht angetroffen. Die Armen unter uns dürfen noch ihre selbst hergestellten Mützen, Hauben und Kragen verkaufen.« Er seufzte. »Anfertigen, Herr? Nicht bei mir, so Leid es mir tut.«
    Ich starrte ihn an. »Sie sind mir empfohlen worden«, sagte ich in Ermangelung von etwas Intelligentem.
    »Von wem, wenn ich fragen darf?«
    »Herr Vater, sehen Sie doch, wer hier ist! Hallo, Onkel Mojzesz, wie geht es Ihnen? Vater ist unten bei dem Pfandverlierer.«
    »Pfandver leiher «, rief ich unwillkürlich hinaus.
    »Und derzeit nichts anderes, mein Herr.« Der Goldschmiedlegte die Hände mit den offenen Handflächen nach oben auf den Tisch.
    Jemand polterte die Treppe herunter in den Laden herein. Üblicherweise gelang es Paolo, der so zart war wie ein junges Kätzchen, mit einer Lautstärke die Treppen in Janas Haus herunterzudonnern, dass man meinen konnte, die verzauberten Ritter von Herzog Henryk Probus wären ausgerechnet bei uns zu Hause in ihre menschlichen Gestalten zurückgekehrt und dröhnten nun in vollen Rüstungen durchs Treppenhaus. Der Schritt hier war jedoch noch schwerer – und um einiges langsamer als Paolos Hüpfen.
    »Das ist der Mann, der Ihren Laden empfohlen hat«, sagte ich und deutete mit dem Daumen über die Schulter, ohne mich umzudrehen.
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« Der Goldschmied streckte die Hand erneut nach dem Ring aus. »Darf ich nochmal …? Friede sei mit Ihnen, Senior Fiszel.«
    Ich drehte mich um. Paolo kam auf den Armen eines Titanen in den Laden. Der zarte kleine Kerl wirkte gegen den Bären, der ihn trug, endgültig wie ein Püppchen. Ich bin keiner von den Kleinen, aber Mojzesz Fiszel überragte mich um einen ganzen Kopf; ich bin auch keiner von den Leichten, aber in Mojzesz’ Hemden hätte ich zweimal hineingepasst, und dann wäre noch genügend für Paolo übrig geblieben. Über dem Kleiderberg, als der der Hofbankier von König Kasimir daherkam, thronte ein vierschrötiger Kopf, dessen untere Hälfte hinter dem Dickicht eines wallenden graubraunen Bartes steckte, während die obere Hälfte in ihrer Kahlheit (und dem ständigen leichten Schweißfilm darauf) in jedem noch so trüben Licht glänzte, sofern nicht wie heute eines der in seinen Kleidertruhen in unübersehbaren Mengen vorkommenden Barette darauf saß. Dazwischen lagen gesträubte Augenbrauen, von strahlenförmigen Falten eingerahmte Augen von bestürzend hellem Blau und eine kleine, aristokratische, geradezu klassische Nase; vom Mund war hinterdem Bartwuchs schon nichts mehr zu sehen. Das Barett berührte den oberen Türbalken und wurde abgestreift, Paolo streckte die Arme danach aus und fing es auf, und Mojzesz Fiszel betrat den Raum so kahl erglänzend, wie man ihn kannte. Er sah aus wie einer, den die Gaukler als Eisenbieger und Nägelzerkauer mitschleppen und der aus Versehen in die Kleidung eines vermögenden Patriziers geraten ist, und da er wegen seiner Größe und Körperfülle für gewöhnlich in Türrahmen hängen zu bleiben oder mit der Stirn gegen Balken zu laufen pflegte, wirkte er zweimal so täppisch. Er war einer der intelligentesten und feinfühligsten Männer, die ich je getroffen hatte.
    »Mit euresgleichen ist nicht leicht ein Geschäft anzufangen«, sagte ich und streckte die Hand zur Begrüßung aus. »Friede sei mit dir, Mojzesz.«
    »Ich brauche die Hälfte im Voraus, wenn ich so schnell arbeiten soll«, erklärte der Goldschmied in meinem Rücken. »Ich muss dann andere Aufträge verschieben, nein, eher muss ich sie ganz stornieren, und das wird mir Verluste bringen.«
    »Ich dachte, Sie dürfen nur noch den Pfandverleih betreiben, und das auch lediglich an zwei Tagen in der Woche?«
    »Da haben Sie völlig Recht, Herr.«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass Sie den Mann kennen, den ich draußen gesehen habe«, krähte Paolo.
    »Und selbst dann ist es unwahrscheinlich, dass ich fertig werde. Vielleicht muss ich einen Gehilfen anstellen … aber ich werde keinen bekommen, denn wir dürfen ja nicht arbeiten …«
    »Onkel Mojzesz, Vater

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