Der Sohn des Tuchhändlers
Vision: wie statt meiner Person Julius Avellino in der Pranke des Säcklergehilfen hing, wie Friedrich genau wie eben hinzutrat, aber statt zurückzuschrecken, nickte er, und der Säcklergehilfe unterbrach das empörte Geschrei des Mönches für alle Ewigkeit. Drei Silhouetten im Mondlicht, die sofort danach auseinander huschten – eine, die schlanke, vornehme Gestalt Friedrichs von Rechberg, vom Weichselufer über die Krakauer Brücke zurück in Richtung Stadt, die anderen beiden (von denen eine der anderen über der Schulter hing wie ein leerer Sack) in die entgegengesetzte Richtung, unter der Mauerkrone von Kazimierz entlang am Wielicka- und am Skawinska-Tor vorbei, wo der Säcklergehilfe sich seiner toten Last in den südlichen Weichselarm entledigte, ohne zu ahnen, dass diese schon wenig später bei der Bochenska-Brücke aufgehalten würde, um am nächsten Morgen einem Bauern, der ins Wasser spucken wollte, den Schreck seines Lebens zu bescheren.
Ich starrte zu Friedrich von Rechberg empor. Die bedrohliche Anwesenheit des Säcklergehilfen schwebte in den Schatten in meiner Nähe, und ich wusste, dass mein Leben von der Freundschaft zu einem Mann abhing, den ich vor drei Monaten noch nicht einmal gekannt hatte. Ich spürte das Rasen in meinem Körper, das von dem schnellen Lauf kam, mit dem ich Friedrich vor dem Mann hatte warnen wollen, den er selbst ausgeschickt hatte.
Friedrich ließ den Kopf hängen. Ich meinte zu hören, wie der Säcklergehilfe sich in Bewegung setzte. Ich versuchte, nach rückwärts zu krabbeln und gleichzeitig auf die Beine zu kommen.
Friedrich schlug die Hände vor sein Gesicht. Er stöhnte dumpf. Der Säcklergehilfe blieb unsichtbar.
In diesem Moment schlug die Glocke im Rathausturm, die so lange stumm geblieben war, an und läutete ein hektisches Muster, und die scheppernde Melodie, vom Wind zerrissen und vom Donner zerstückelt, fuhr in meine Knochen mit der Kraft des Schreckens, den jeder Stadtbewohner kennt, dem man das Klangmuster als eine der ersten Taten nach seiner Aufnahme als Bürger beigebracht hat. Der Himmel zerplatzte von einem Bündel Blitze, die quer darüberschossen, ich sah Friedrich, dessen Schultern zuckten und dessen Gesicht noch immer in seinen Händen vergraben war, ich sah den Säcklergehilfen, der bis zur Wand des Pferdestalls zurückgewichen war und das Gesicht in den Wind gewendet hatte wie ein witterndes Tier, dann sah ich sie als seltsame Schattenrisse vor meinen Augen tanzen, als die Blitze erloschen und der Donner das Glockengeläut zu ertränken versuchte.
Feuer!
Das Läuten zu hören und mich an den Brandgeruch in Miechowitas Haus zu erinnern war eins, und was immer ich an Schreck verspürt hatte angesichts der Entdeckung, dass Friedrich von Rechberg hinter den Morden steckte, verschwand unter einer unermesslichen Wut. Ich war schneller auf den Beinen, als mirselbst klar war. Friedrich ließ die Hände sinken und starrte in die Höhe, sein bleiches Gesicht leuchtete, und da war ich schon heran und packte ihn am Kragen. Ich hatte sogar den Säcklergehilfen übertölpelt, der jetzt von seinem Standort herangeschossen kam und erst bremste, als Friedrich eine Handbewegung in seine Richtung machte. Der Münzmeister wehrte sich nicht. Er sah mir ins Gesicht. Seine Augen waren nass. Als die Sankt-Andreas- und die Sankt-Martins-Kirche zu beiden Seiten seines Hauses das Sturmgeläut aufnahmen, zuckte er zusammen und begann zu zittern.
»Was hast du getan, du Idiot!?«, schrie ich ihn an. »Weißt du, was du getan hast!?«
Ich hörte ihn stöhnen. Sein Mund arbeitete.
»Dein Totschläger hat das Haus deines Partners angezündet!«, brüllte ich Friedrich ins Gesicht und schüttelte ihn. »Nur, dass Miechowita nicht mehr dein Partner war, nachdem Jana ihm zugesagt hatte!«
»Ich wollte nicht … ich wollte das nicht … ich sagte, nur wenn er droht, unseren Plan auszuplaudern … und es sollen keine Spuren … ich wollte nicht …«
»Du hast die halbe Stadt auf dem Gewissen! Du und der Rat, der die Wachen weggeschickt hat, die Einzigen, die das Feuer löschen können!«
Seine Augen rollten, und seine Züge waren vor Entsetzen so verzerrt, dass ich ihn kaum wiedererkannte. Ich stieß ihn von mir weg, und er taumelte rückwärts und setzte sich auf den Hosenboden. Der Säcklergehilfe stand mit einem Satz vor mir und streckte die Hände nach mir aus.
» nein !«, schrie Friedrich.
Ich sah dem bulligen Mann in die Augen. Ich dachte daran, wie er uns
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