Der Sohn des Tuchhändlers
und erhob sich, als er mich sah. Wir schüttelten uns die Hände.
»Du bist aber früh aus den Federn«, sagte ich.
»Und du siehst aus, als wärst du überhaupt nicht hineingekommen.« Er musterte mich freundlich. »Schlaflos, weil die Geschäfte gut gehen, oder weil sie schlecht gehen?«
»Ich hatte Gedankenarbeit zu leisten.«
»Die Nacht ist kein guter Zeitpunkt für so etwas.«
»Vater«, sagte Paolo, »was ist Gedankenarbeit?«
»Das ist, wenn du nur denkst, dass du arbeitest«, erklärte Friedrich und grinste.
»Und warum machen Sie das in der Nacht?«
»Nur zu, erklär’s ihm«, forderte ich Friedrich auf und zwinkerteihm zu. »Ich gehe mir inzwischen in der Küche etwas zu Essen suchen. Paolo, wenn dir seine Erklärung nicht ausreicht, frag ruhig nach.«
Ich kletterte die enge Treppe des Dienstbotengangs hinunter und traf auf die arbeitenden Mägde, nicht aber wie erhofft auf Jana. Jemand drückte mir unaufgefordert einen Napf mit heißer Suppe in die Hände, und ich schlürfte sie aus, ohne Appetit zu verspüren.
»Wo ist die Herrin?«, fragte ich schließlich. Sie zuckten die Schultern. Ich stieg wieder hinauf in den Saal, wo Paolo sich inzwischen in die Funktionsweise von Gedanken hineingefragt hatte und woher der Mund wusste, welche Gedanken er aussprechen durfte und welche nicht. Ich rettete Friedrich von Rechberg, indem ich ihn beiseite nahm.
»Was kann ich für dich tun?«
Er sah mich verwirrt an. »Du hast mich herbestellt. Erinnerst du dich nicht?«
»Wann?«
»Lieber Himmel!« Er schüttelte grinsend den Kopf. »Du hast mich doch gebeten, meinen Boten nach Landshut aufzutragen, alle Briefe an dich mitzubringen und sie dir sofort zuzustellen. Ein Bote ist zurück, und er hat einen Brief für dich dabeigehabt.« Er deutete auf seinen Hinterkopf. »Wieder da?«
Ich nickte. »Ich habe nicht mehr dran gedacht«, brummte ich. Friedrich kramte einen Brief aus seinem Wams hervor und überreichte ihn mir. Ich starrte das Siegel an. Drei Helme – eine Nachricht des Landshuter Stadtkämmerers.
»Vater, kann ich etwas für Sie tun?«
Ich sah auf. Plötzlich erinnerte ich mich daran, was Mojzesz Fiszel gestern gesagt hatte.
»Nein, aber ich kann etwas für dich tun. Ich bringe dich zu Onkel Mojzesz, er will dir Kleider anmessen lassen.«
»Kriege ich auch so ein rundes Ding?«
»Was für ein rundes Ding?«
»Das, das Onkel Mojzesz immer zu Hause trägt – oder unter seinem Barett, wenn er vergessen hat, es abzunehmen.«
»Das ist eine Jarmulke, und wenn er sie unter dem Barett trägt, dann nicht, weil er sie vergessen hat, sondern weil es einer seiner Bräuche für diesen Tag verlangt.«
»Warum?«, fragte Paolo.
Friedrich von Rechberg begann zu lachen. »Nur zu, erklär’s ihm«, sagte er.
Paolo sah von einem zum anderen. Ich seufzte. »Paolo, entweder ich erkläre es dir, aber dafür brauche ich die nächsten zwei Stunden, und dann gehst du nicht zu Onkel Mojzesz, oder ich sage einfach, dass ich es dir erkläre, wenn du einmal groß und stark bist, und du gibst dich ausnahmsweise damit zufrieden und kannst zu Onkel Mojzesz gehen.«
»Ist nicht so wichtig«, rief Paolo.
»Dann raus mit dir und lass dir saubere Sachen anziehen, sonst hält sich Tante Rebecca auch noch für verpflichtet, dir ein neues Hemd schneidern zu lassen.«
Er rannte hinaus, und ich betrachtete meinen Brief und versuchte das Siegel zu knicken.
»Geldprobleme?«, fragte Friedrich.
»Hm? Nein, das ist ein Brief von Hanns Altdorfer, der mir wahrscheinlich mitteilt, dass Daniel es noch immer nicht geschafft hat, seinen Hintern aus Landshut herauszubewegen und aller Voraussicht nach zu spät zu Paolos Feier kommen wird.«
»Ich meinte deinen Nachtschlaf. Oder besser den, den du nicht gehabt hast.«
»Kennst du Fryderyk Miechowita?«
Er musterte mich lange. »Ist er euch bei einem Geschäft in die Quere gekommen?«
»Nur so.«
Friedrich kratzte sich am Kopf. »Du bist doch der, der seit Jahren hier lebt. Warum fragst du mich? Ich bin erst seit zweiMonaten hier. Aber wenn du kannst, mach einen Bogen um ihn.«
»Vor zwei Monaten hat noch niemand von Fryderyk Miechowita geredet.«
»Ich habe gehört, er kommt aus Warschau und hat sich vorgenommen, hier der Platzhirsch zu werden. Keiner, mit dem man derzeit ein Geschäft machen sollte.« Er zog die Nase hoch und kratzte sich am Kinn. »Kann ich dich etwas fragen?«
Ich ließ den ungeöffneten Brief sinken und erwartete plötzlich ganz widersinnig, dass er
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