Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
ich und zehn Jahre jünger als Jana. Er wippte unschlüssig auf den Fußballen, dann geruhte er, Paolo zur Kenntnis zu nehmen, und beugte sich zu ihm hinunter.
    »Und du bist, wie ich glaube, der junge Herr dieses Hauses?«, fragte er. Ich hörte die Erleichterung in seiner Stimme, jemanden gefunden zu haben, den er ansprechen konnte … und spürte den Zug an meiner Hand, als Paolo einen Schritt zurückwich. Die Hand mit den fein manikürten Nägeln kam wieder hinter dem Rücken hervor und hängte sich vor das Gesicht meines Sohnes.
    »Mein Name ist Fryderyk Miechowita, wenn ich mich vorstellen darf«, sagte er und mühte ein Lächeln auf sein Gesicht.
    Paolo sah von ihm zu mir und dann zu Jana. Er sagte nichts. Miechowita richtete sich auf und machte den Fehler, sich nun doch zu Jana umzudrehen. »Die Männer in diesem Haus müssen beschlossen haben, dass die Gastfreundschaft heute schon verbraucht ist«, sagte er zu ihr. »Oder liegt es an mir?«
    »Paolo, wo sind deine Manieren?«, fragte Jana tonlos.
    Ich hielt Paolos Rechte in meiner Hand fest. »Paolo handelt heute rein nach Gefühl«, sagte ich und schaffte es, so freundlich zu klingen, dass Jana das Gesicht verzog.
    »Herr Miechowita, ich möchte Ihnen den Mann an meiner Seite vorstellen: Peter Bernward. Er … wir … wir sind …«
    »… Partner«, sagte ich. »Jedenfalls die meiste Zeit. Wenn wir nicht anderen Interessen folgen.«
    »Peter!«, sagte sie.
    Miechowita angelte nach seinem Hut. Er musste sich weit über den Tisch beugen, um ihn zu kriegen; er schien ihn mit Schwung auf die Tischplatte geworfen zu haben. Um den Tisch zu umrunden, hätte er jedoch dicht an mir vorüber gemusst, und das wollte er nicht. Ich hörte die Nähte an seinem Wams knarren, als er sich nach vorn streckte. »Man merkt gar nicht, wie der Tag verfliegt«, erklärte er. »Ich kann Sie nicht noch länger beanspruchen.«
    Ich trat beiseite und wartete, bis er versuchte, sich an mir vorbei durch die Tür zu drücken. Jana bewegte sich nicht von der Stelle. »Ich bringe Sie nach unten«, sagte ich dann. Sein Kopf schnappte überrascht nach oben. Ich nickte ihm zu. »Nach Ihnen.«
    Er stolperte über die Schwelle und blieb im Schlafzimmer stehen. Ich ließ ihm Zeit, auf die zerknitterte Stelle auf dem Bett zu starren und zu erröten, dann gab ich Paolos Hand frei. »Geh zu deiner Mutter«, sagte ich. »Du bist schon viel zu lange auf den Beinen. Abendessen und dann ab ins Bett.« Ich gab Paolo einen Klaps und schob ihn auf Jana zu. Als ich erkannte, dass ich es nicht schaffte, ihr in die Augen zu sehen, wandte ich mich rasch ab und trat ins Schlafzimmer hinaus. Miechowita sah mich an, sah auf das zerknitterte Bett, machte den Mund auf und überlegte, etwas zu sagen, überlegte es sich zu seinem Glück anders und schloss den Mund wieder. Ich machte eine einladende Geste zur Schlafzimmertür. Hinter mir hörte ich das Rascheln der Kleider, als Jana sich hinkauerte und Paolo in die Arme schloss.
    Miechowita trabte vor mir her die Treppen hinunter und über den gepflasterten Innenhof. Das Tor war offen; einer der Hausknechte stand in der Gasse und reckte sich, um die Öllampe neben dem Eingang zu entzünden. Ich spürte die Bogengänge der Loggien in den Obergeschossen und die Fenster darin wie Augen, die beobachteten, wann ich die Haltung verlieren würde. Unter dem Bogen des Eingangstores blieb ich stehen. Der Hausknechtlächelte mich an und schlurfte dann hinein, um seinem Beleuchtungswerk auch im Innenhof nachzukommen. Miechowita blickte die Gasse hinauf und hinab und stülpte sich schließlich den Hut auf den Kopf.
    »Ich bin …«, begann er.
    »Sie sind Fryderyk Miechowita, der Kaufmann«, sagte ich. »Ich habe von Ihnen gehört. Im Augenblick sind Sie der einzige polnische Krakauer, der den alteingesessenen deutschen Kaufleuten hier den Gewinn streitig machen kann, und darin sind Sie der Erste seit mindestens zwei Generationen. Die polnische Bevölkerung der Stadt betrachtet Sie als denjenigen, der die Vorherrschaft der Weigels, Morsteins, Vogelfeders und Wierzigs und wie sie alle heißen brechen wird; die Genannten wiederum haben sich dafür entschieden, Sie zu umarmen, nachdem sie es nicht geschafft haben, Sie zu erdrücken. Wenn Ihnen noch etwas fehlt, dann höchstens die Freiheit, so im Wawel aus- und eingehen zu dürfen wie ein Sebastian Vogelfeder oder ein Melchior Wierzig – und ein Haus, das näher am Tuchmarkt liegt als Ihres und so gar keinen Status verströmt.«

Weitere Kostenlose Bücher