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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wäre ja wahrlich nichts Neues.«
    »Aber doch nicht in dieser Situation! Man hat ihn ja förmlichgenötigt, den Juden die Geschäfte abzuschneiden. Ich meine … du musst das doch genauso gut wissen wie ich. Das Edikt ist ungefähr um die Zeit erlassen worden, als ich hierher gekommen bin.«
    »Du lieber Himmel«, sagte ich. »Was regst du dich so auf?«
    Friedrich stutzte und räusperte sich dann. Er sah mit einer verlegenen Geste zu Boden. »Weil es wahrscheinlich die einzige Rettung für meine Mission wäre, und sie ist nur einen Steinwurf weit weg und doch unerreichbar«, murmelte er.
    »Nun, wenn es sonst keine Hoffnung gibt als die Idee des Kanzlers mit den Pfründen in Ungarn, so weißt du, was ich davon halte.«
    »Danke für deine offenen Worte.«
    »Vater, gehen wir nun zu Onkel Mojzesz?«
    »Es wäre so einfach, wenn Laurenz Weigel nicht wäre«, brummte Friedrich. »Oder wenn man ihn bestechen könnte.«
    »Ein Aufrechter, hm?«
    »Vater, wir sind gleich beim Haus von Onkel Mojzesz. Darf ich voranlaufen?«
    »Die anderen Ratsmitglieder sind nur so störrisch, weil Weigel es ihnen vormacht. Keine Kredite für die Bayern, keine Kredite für die Bayern …«
    »›Keine Kredite für den König!‹ können sie ja schlecht schreien. Außerdem haben sie erfasst, worauf es letztlich hinausläuft.«
    »Vater?«
    »Statt all den Klerikern und den Hofschranzen den Hintern zu versilbern, wie es damals geschehen ist, hätte sich die Hochzeitsdelegation mehr um die Kaufleute bemühen sollen. Weigel kann man nur an seiner Ehre packen – er würde nie jemanden im Stich lassen, dem er zu Dank verpflichtet ist. Aber das hat man gründlich versäumt.« Friedrich sah auf und schien jetzt erst zu bemerken, dass wir unsere Runde vollendet hatten. Vor uns tat sich die Judengasse auf, wie üblich noch geschäftigerals der Tuchmarkt. Mit ein paar Dutzend Schritten wäre ich jetzt wieder zu Hause gewesen; und so, wie ich vorhin aus dem Haus hinausgewollt hatte, wollte ich jetzt wieder hinein. Jana war zu einem Notar gegangen? Wann immer sie bislang für ihre Geschäfte jemanden gebraucht hatte, der einen netten kleinen Vertrag schreiben konnte, dessen Fallstricke ihr Geschäftspartner nicht bemerkte – oder der solche Fallstricke in einem angebotenen Vertrag entdeckte –, war sie zu ihrem Buchhalter gegangen. War diesmal die Angelegenheit … delikater? Intimer? Privater?
    Friedrich sah mich an. Ich bemerkte, dass er die Hand ausgestreckt hatte.
    »Hm?«
    »Ich sagte: Einen schönen und erfolgreichen Tag und möge Gott deine Wege lenken.« Er grinste.
    »Ich habe nicht aufgepasst.« Ich ergriff seine Hand und schüttelte sie. Er schob sich zwischen den Menschen hindurch, die am Eingang der Judengasse vorbeischlenderten, eine schlanke, hochgewachsene Gestalt, die erst nach einer ganzen Strecke von der Menge verschluckt wurde. Seine Sorgen hatte die meinen nicht geringer gemacht, im Gegenteil.
    »Vater, darf ich …?«
    »Lauf los, du kleiner Quälgeist.« Ich zwang mir ein Lächeln für Paolo aufs Gesicht. »Sag Onkel Mojzesz, ich komme gleich nach. Ich möchte nur kurz nachschauen, ob deine Mutter schon zurück ist.«

    Laurenz Weigels Haus war ein wenig größer als Janas; das Eingangstor mit etwas mehr Ziernägeln beschlagen; der Tordurchgang um ein Geringes höher, der Innenhof einen Deut weiträumiger (und der Springbrunnen darin kaum merkbar plätschernder), die Deckenbalken ein bisschen aufwendiger geschnitzt und die Dienstboten unwesentlich besser gekleidet. Vor allem aber war es viel hellhöriger.
    Ich stand in dem kleinen Zimmer, in dem Laurenz Weigel seine Besucher warten ließ, und bemühte mich, meinen Mut nicht sinken zu lassen angesichts der Tirade, die durch die Räume dröhnte.
    »Ich bring das Schwein uuuum !«
    Weigels Domizil lag südlich des Marktplatzes, gerade so weit weg vom Florianstor, dass die Lage nicht anrüchig wirkte, in einer Seitengasse, die von der Floriansgasse wegführte und offenbar in ihrer ganzen Länge vom Weigel’chen Besitz eingenommen wurde. Wenn die Lage für Laurenz Weigel charakterisierend war, dann handelte es sich bei dem Mann, der jetzt das Tierreich bemühte, um die sexuellen Praktiken des Adressaten seines Wutanfalls zu umreißen, im Normalzustand um einen Pragmatiker. Der einfache An- und Abtransport seiner Waren und dass es niemanden störte, wenn ein Warentreck beim Be- oder Entladen vor seinem Lager die Seitengasse für einen halben Tag blockierte, war ihm wichtiger als

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