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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ein Haus direkt am Tuchmarkt mit allen damit verbundenen Komplikationen – zum Beispiel einem vom Haus getrennten Lager, denn am Tuchmarkt wäre es völlig unmöglich gewesen, einen Treck auszurüsten oder seine Lieferung zu entladen. Dass der Rat auf ihn hörte, obwohl er nicht versessen auf den Anschein der Wichtigkeit war, deutete darauf hin, dass er tatsächlich wichtig war – vermutlich besaß er Geld genug, um die halbe Stadt zu kaufen, und die nötigen Verbindungen, sie dann mit Gewinn an den Papst weiterzuverhökern. Ein mächtiger Mann mit einer Abneigung gegen alles Bayerische und einem gesunden kaufmännischen Verstand … und nur einer einzigen Schwachstelle: Zofia Weigel … das einzige Kind, das nicht in jungen Jahren gestorben war … außerdem ein Mann mit dem Zorn Gottes im Bauch …
    »Ich werd ihn lassen aufhängen an den Eiern und eine Ratte in den Arsch schieben, damit sie ihn auffressen tut von innen !!«
    … und ein gnädiger Richter gegen die Sünder.
    Weißt du, worauf du dich da eingelassen hast?
    Ich hoffe es, dachte ich.
    Schon mal davon gehört, dass dem Boten schlechter Nachrichten der Kopf abgeschlagen wird?
    Mich begleiten die Segenswünsche der ganzen jüdischen Gemeinde. Mir kann nichts passieren (außerdem gäbe es ja wohl Schlimmeres zu erleiden, wenn es nach Weigels Phantasie ginge). Und wenn Friedrich von Rechberg wüsste, dass du diesen Besuch zur Hälfte für ihn machst, in der Hoffnung, Weigel wäre nach der Lösung seines Problems aufgeschlossener für bayerische Angelegenheiten, würden dich auch seine guten Wünsche begleiten.
    Na also – ich bin bestens gerüstet. Alles, was mir fehlt, ist ein Empfehlungsschreiben des Königs und eine Hundertschaft Soldaten, falls Weigel noch mehr in Wut gerät.
    Ich fuhr mit der Hand unwillkürlich unter mein Wams und bekam den Brief zu fassen, den Friedrich mir übermittelt hatte. Überrascht erkannte ich, dass ich ihn beinahe vergessen hätte. Ich holte ihn heraus und betrachtete das abgeknickte Siegel. Das Haus war plötzlich beinahe still. Ich horchte in die unvermutete Stille hinein, dann trat ich mit dem Brief zum Fenster und begann ihn zu entfalten.
    »Herr?«
    Ich drehte mich um. Ein Dienstbote stand in der Tür. Mit ihrem Öffnen kam von irgendwoher ein erbärmliches Schluchzen, gedämpft und leise.
    »Ist Herr Weigel bereit, mich zu empfangen?«
    »Wie ich schon gesagt habe«, mühte sich der Dienstbote mit schwerem Akzent, »die Herr Weigel hat schwer und ist eine schlechte Zeit für …«
    »Hast du ihm ausgerichtet …?«
    »Aber was Sie haben gesagt macht die Herr Weigel bereit, Sie zu empfangen.«
    »Freut mich außerordentlich. Wie geht es seinem Hals?«
    »Herr?«
    Ich schob den Brief zurück an seinen Platz. »Schon gut«, sagte ich. »Geh voran, ich folge dir.«

    »Wie lang tun Sie schon warten?«, fragte Weigel und reichte mir eine trocken-heiße Hand. Er sah verschwitzt aus und bemühte sich, freundlicher zu sein, als er sich vermutlich fühlte.
    »Seit der schleimigen Kröte mit der Seele einer Wildsau.«
    Er starrte mich an. Langsam kroch Röte in seine nicht gerade blassen Wangen. »Ah …«, machte er.
    »Nicht, dass Sie mit allen Beschimpfungen danebenliegen würden. Ein paar davon kann ich ganz gut nachvollziehen.«
    Er starrte immer noch. Die Röte war in seine Augen gestiegen und ließ sie schwimmen. »Was … was …«
    Ich drückte seine Hand und ließ sie los. Sie fiel schlaff herab, als ob sie ihm gar nicht gehören würde. In diesem Raum – und ich konnte nicht anders, als zu bemerken, dass er im Wesentlichen dem kleinen Raum hinter dem Schlafzimmer glich, in dem Jana … in dem ich Jana … in dem ich etwas gesehen zu haben glaubte, von dem Paolo glaubte, dass es etwas ganz anderes gewesen war; nur dass man ihn von Weigels großem Saal aus erreichte – in diesem Raum hörte man das Schluchzen deutlicher. Jemand war in seiner Seele verletzt und hatte fürs Erste auch keinen Trost erfahren. Ich fand es mühsam, so zu tun, als ob ich der Herr der Situation sei. Jemand war in seiner Seele verletzt … warum zum Teufel musste Weigel in diesem kleinen, abgeschiedenen Raum seinen heutigen Besucher empfangen? Einen verrückten Augenblick lang hatte ich die Vision von Fryderyk Miechowita, wie er mir ein Säckchen Münzen als Wiedergutmachung dafür anbot, dass er … was wollte ich hier tun?
    »Mein Name ist Peter Bernward«, sagte ich. »Sie kennen vermutlich das Haus Dlugosz. Ich bin der Gefährte von

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