Der Sohn des Tuchhändlers
wollen Sie mich verspotten?«
»Was soll das heißen, hat er es Ihnen nicht gesagt? Ich habe kaum ein Wort aus dem Kerl herausbekommen. Was ich weiß, weiß ich von …«
»Die Magd ging suchen, um zu sehen, ob es meiner kleinen Zofia an etwas fehlt, das gute Stück. Und wurde von jemanden im Haus dorthin geschickt, wo ihr gerade Gewalt angetan wurde. Sie ging hinein, und meine Zofia sah sie und begann zu schreien und Gott zu preisen dafür, dass er ihr Hilfe geschickt hatte, und dann ließ er endlich ab von ihr. Und das Schlimmste ist …«, er kam einen Schritt näher und ballte eine runde kleine Faust und pochte mir damit gegen die Brust, »… das Schlimmste ist, dass keiner von euch, die im Haus waren, ihn festgehalten und den Bütteln übergeben hat … oder ihn totgeschlagen wie den Hund, der er ist … ihr feiges Pack … man muss den Gastgeber ehren, aber doch nicht, indem man seine Gemeinheit deckt …!« Er holte aus, aber zum Zuschlagen fehlten ihm der Mut oder die Kraft, und er ließ die Faust sinken und schlurfte zwischen die Laken hinein. Ich hörte ihn plötzlich schluchzen. »Mein Kind. Wahrscheinlich tu ich sie am besten im Kloster lassen, wo sie jetzt ist … wer nimmt sie mir denn jetzt noch …?«
»Herr Weigel«, sagte ich langsam, »wieso glauben Sie, dass ich am Sonntagabend in jenem Haus war?«
»Waren Sie’s denn nicht?«, rief er. »Wollen Sie mich machen glauben, dass er seine Nachbarn nicht eingeladen hätte? Oder warum sonst hätte er sie geschickt?«
Ich hatte eine Ahnung, die mich einen Moment lang den Atem anhalten ließ. Ich sagte: »Sprechen wir von Fryderyk Miechowita?«
»Als ob Sie das nicht wüssten!«
»Ihre Tochter ist … das Ganze ist in Miechowitas Haus geschehen?«
Weigel drehte sich und fixierte mich zwischen den Stoffbahnen hindurch, die uns trennten. »Verschwinden Sie aus meinem Haus«, sagte er heiser. »Ich habe Sie eingelassen und mir angehört, was Sie zu sagen hatten, aber ich lasse mich in meinem Kummer nicht auch noch verhöhnen.«
Ich breitete die Arme aus. »Was glauben Sie eigentlich, warum ich hier bin?«
»Was glauben Sie wohl, was ich glaube!?«
»Vielleicht sollten wir nochmal von vorn anfangen.«
»… und sagen Sie Miechowita, ich lasse mich nicht erpressen. Hier geht es um die Ehre meiner Tochter. Und wenn er darauf aus ist, sich dadurch mit Gewalt zu meinem Schwiegersohn zu machen, dann tu ich ihn kastrieren lassen … wenn ich es nicht ohnehin noch tu!«
»Du lieber Himmel«, rief ich. »Sie glauben, Miechowita will Ihnen drohen, Ihre Tochter zu kompromittieren, wenn Sie etwas gegen ihn unternehmen? Und ich sei sein Bote? Sie glauben, Miechowita hätte Ihre Tochter vergewaltigt?«
»Ich glaube nicht, ich weiß!«, schrie Weigel.
»Sie wissen gar nichts!«, schrie ich zurück. »Das Ganze mag ja in Miechowitas Haus geschehen sein, aber Miechowita war nicht daran beteiligt! Ihre Tochter hat ihr Vertrauen einem arroganten, überheblichen, selbstgerechten Schweinehund geschenkt, und er hat das ausgenutzt. Und was immer ich oder jemand anderer von Fryderyk Miechowita halten mag, Ihre Tochter ist nicht von ihm, sondern von einem jungen Mann namens Samuel ben Lemel geschändet worden, und ich …«
Weigel riss die Augen auf. »Samuel …«, ächzte er. »Ist das etwa ein …«
»Es ist vollkommen egal, ob Samuel ben Lemel ein Jude oder ein … was haben Sie gesagt? … ein Polack ist … Ihrer Tochterist Gewalt angetan worden, und scheinbar haben Sie nicht mal richtig zugehört, als sie es Ihnen erzählte, sonst hätten Sie nicht alles durcheinander gebracht.«
»Sie hat mir doch gar nichts erzählt! Mein Weib hat es mir erzählt! Meine Tochter ist auf dem Land!«
»Mit wem haben Sie dann heute hier herumgeschrien?«
» mit meinem weib !«, röhrte er. » und was geht sie das überhaupt an ?« Dann schlug er die Hände vors Gesicht und stöhnte voller Entsetzen: »Meine Zofia von einem Judenbengel … o Herr, sieh auf meine Pein! Wo bleibt die Strafe für die Ungerechten!«
»Als Hiob machen Sie eine schlechte Figur«, sagte ich, weil ich es nicht mehr aushielt. »Ja, Samuel ben Lemel ist ein Jude, und er hat Ihre Tochter vergewaltigt. Ja, es ist ein Verbrechen, mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke, und wenn ich Zofias Vater wäre, würde ich wahrscheinlich darüber nachsinnen, wie ich ihn umbringen könnte. Und weiterhin: Ja, wenn es rauskommt, ist es um die Zukunft Ihrer Tochter schlecht bestellt. Deshalb sind Ihnen die Hände
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