Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
gebunden, wie ich befürchte. Und wollen Sie noch etwas wissen? Nein, ich bin kein Bote von Fryderyk Miechowita, der Sie erpressen will, den Mund zu halten, damit er ihn auch hält. Was ich tue, tue ich auf Bitte von Mojzesz Fiszel und des Vaters von Samuel, der über diese Tat genauso entsetzt ist wie Sie und der gemeinsam mit Ihnen verhindern möchte, dass aus dieser bösen Tat eine Katastrophe wird, an deren Ende verbrannte Menschen, niedergerissene Häuser und jede Menge Blut und Tränen von Unschuldigen stehen.«
    Weigel starrte mich an. Ich sagte etwas ruhiger: »Unternehmen Sie etwas gegen Samuel, kommt die Sache ans Tageslicht; unternehmen Sie etwas gegen Miechowita, in dessen Haus es passiert ist, kommt die Sache auch ans Tageslicht. Dann wird man Samuel in heißem Öl zu Tode sotten, was aber vermutlich die Hitzköpfe und die Idioten und alle diejenigen, die bei den Juden Schulden haben, nicht daran hindern wird, die Treibjagdauf Samuels Glaubensgenossen zu veranstalten. Männer werden gehängt werden, noch mehr Frauen werden vergewaltigt, in den Flammen der Häuser werden Kinder verbrennen. Ihre Tochter wird trotzdem den Schleier nehmen müssen und ihr ganzes Dasein lang die Leben mit sich tragen, die ihretwegen ausgelöscht worden sind – und glauben Sie mir, irgendwann wird sie überzeugt sein, dass sie daran schuld ist. Miechowita wird zur Sühne Geld für ein Waisenhaus stiften müssen, in dem die überlebenden jüdischen Kinder, deren Eltern umgekommen sind, in christlichem Glauben zwangserzogen werden.«
    »Wollen Sie, dass ich tue nichts, wenn mein Herzblatt wurde geschändet!?«
    »Sie können nichts tun, jedenfalls nichts, was an die Öffentlichkeit kommt. Glauben Sie mir, die Familie von Samuel ben Lemel findet die Tat genauso ekelhaft wie Sie und ich. Deshalb hat man Folgendes für Samuel vorgesehen …«
    Ich erklärte ihm, was Mojzesz mir erklärt hatte. Er sah zu Boden und presste die Lippen aufeinander.
    »Das ist nicht genug«, murmelte er.
    »Nicht genug? Samuel wird buchstäblich in der Scheiße wühlen, wenn ich mal deutlich werden darf, und zwar so lange, bis Zofia ihm vergibt – sein Leben lang, wenn es sein muss. Er wird sich mehr als einmal am Tag wünschen, dass er tot sei.«
    »Mein Augenstern …«, flüsterte er. »Jemand muss für meinen Schmerz bezahlen!«
    Ich schluckte hinunter, was sein egoistisches Gejammer um seinen Schmerz an Wut in mir hochsteigen ließ, und lächelte ihn breit an: »Das zu verhandeln bin ich hergekommen.«

    An der Ecke der Gasse zur Heilig-Kreuz-Kirche hatte einer der hier ansässigen Tuchhändler unter einem hölzernen Vordach seine Waren ausgebreitet. Um diese Stunde des Tages nahm in der Regel niemand von seinem Angebot Notiz, und der Händler schien selbst darüber am erstauntesten, dass eine Hand vollMänner sich um seine Truhen drängte. Vier von ihnen standen mit angewinkelten Armen da und hatten jeder ein paar Stoffbahnen darübergelegt; der fünfte, der sich über die Auslage beugte, war selbst in gebücktem Zustand noch so groß, dass die anderen wie Halbwüchsige neben ihm wirkten. Er richtete sich auf, kniff die Augen zusammen, als er mich sah, blinzelte überrascht, begann zu lächeln, war mit einem wuchtigen Schritt unter dem Holzdach hervor und aus seiner Begleitmannschaft heraußen und eilte mit ausgestreckten Händen auf mich zu.
    »Die Vorstellung kannst du dir sparen«, sagte ich.
    »Peter«, rief Mojzesz Fiszel und zerdrückte meine Rechte. »Was für ein schöner Zufall. Der Hof braucht neue Stoffe für die Dienstboten, und ich suche ein paar Muster zusammen.« Er wies mit grandioser Gebärde hinter sich und beugte sich gleichzeitig zu mir herab, um zu flüstern: »Dieser redliche Kaufmann hat gerade frische Ware hereinbekommen, und ich dachte …«
    »… warum schnüffeln wir nicht einfach Peter Bernward ein wenig hinterher?«
    »Aber Peter …!« Er nahm sein Barett ab, zerknüllte es zum Zeichen seiner Entrüstung und stülpte es wieder auf den Kopf.
    »Dass du neuerdings zum Tuchkenner aufgestiegen bist, anstatt das Geld des Königs zu zählen, überrascht mich.«
    »Das ist schon eine grobe Unterstellung!« Er legte die Fingerspitzen aufs Herz, küsste sie und wedelte damit in der Gegend herum.
    »Und eine zutreffende obendrein.«
    Mojzesz Fiszel ließ die Schultern hängen. Dann grinste er. »Ich wollte dir einen Weg ersparen.«
    »Dein Haus liegt ja auch immerhin hundert Schritte von meinem entfernt.«
    »Du bist ebenso

Weitere Kostenlose Bücher