Der Sohn des Tuchhändlers
Friedrich von Rechberg weggehen sehen.« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Ich hoffe, du hast Paolo nicht einfach irgendwo gelassen!«
»Er ist bei Mojzesz«, hörte ich mich sagen wie ein kleiner Junge, der sich angesichts einer Reihe von Anschuldigungen wenigstens von einer reinwaschen will.
»Na, Gott sei Dank hast du wenigstens dein jüngstes Kind versorgt!«
Ich versuchte ein paar von den Gedanken zu fassen, die ich auf dem Weg hierher im Kopf gehabt hatte, aber sie hatten sich alle verflüchtigt. Ich sah von meiner Gefährtin zu meinem Sohn und zurück und sah in dem einen Gesicht den bekannten Zorn, der Jana immer dann packte, wenn sie zusätzlich zu ihrer eigenen Arbeit den Fehler von jemand anderem ausbügeln musste – das andere Gesicht bestand aus einem breiten Grinsen, das ich ebenfalls kannte und das in meinen Augen immer bedeutet hatte, dass Daniel eine Situation nicht mit dem genügenden Ernst anging. Ich klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch.
»Was ist denn passiert?« Ich sah Daniel an, der in ein paar Schritten Entfernung stehen geblieben war, Jana und mich musterteund jetzt die Backen aufblies. Ich erkannte, dass sein Gesicht gerötet und von Schweiß überzogen und sein Haar staubig war.
Jana streifte an mir vorbei. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Über die Schulter sagte sie zu Daniel: »Kommen Sie, wir müssen die Vergesslichkeit Ihres Rabenvaters in Ordnung bringen.« Daniel zuckte zusammen und machte sich auf den Weg. Zu mir sagte sie, schon fast an der Tür: »Wochenlang brütest du über irgendwelchen Briefen und beklagst dich, dass nichts von Belang drinsteht, und wenn du dann mal eine wichtige Nachricht erhältst, vergisst du, worum es geht!«
»Was für einen Brief?«
Daniel warf mir einen Seitenblick zu. »Sabina hat heute im Morgengrauen einem Boten einen Brief mitgegeben. Er sagte, er kennt Sie und Frau Jana und würde ihn einem Freund übergeben, der ihn sicher zu Ihnen bringt. Hat das nicht geklappt?«
»Kommen Sie schon! Peter, vielleicht möchtest du auch mitkommen, wenn wieder Leben in deinen Verstand zurückgekehrt ist?«
»Der Brief«, sagte ich. »Verdammt.«
Daniel stapfte Jana hinterher, dann drehte er sich plötzlich um, kam zu mir und umarmte mich stürmisch. »Wie geht es Ihnen, Vater?«, raunte er mir ins Ohr. »Tut mir Leid, dass ich Sie in Schwierigkeiten gebracht habe. Sabina wird schon nicht gleich als Sklavin verkauft werden. Ich wusste gar nicht mehr, dass Frau Jana so … resolut ist.«
Er löste sich von mir und schaute grinsend auf mich herab. Ich riss den Brief unter dem Wams hervor und schnappte nach Luft. »Da!«, rief ich. »Da ist der vermaledeite Brief! Von euch ist er? Seit heute Morgen versuche ich ihn zu lesen, und jedes Mal … was hast du gerade wegen Sabina gesagt?« Mein Blick fiel zu Jana, die in der Tür stehen geblieben war. Sie lächelte. Als sie meinen Blick bemerkte, wischte sie das Lächeln von ihrem Gesicht und starrte mich aufgebracht an.
»Ich bin nicht so sicher, was das Schicksal deiner Tochter angeht!«, schnappte sie. »Beeilt euch gefälligst, ihr Helden. Ihr könnt euch in die Arme fallen, wenn die Familie komplett ist – und du steck den Brief weg, jetzt brauchst du ihn auch nicht mehr zu lesen. Dein Sohn kann dir erzählen, was drinsteht.« Daniel starrte sie verlegen an. Sie gab seinen Blick zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. »Seid froh, dass wenigstens ein resolutes Weib hier ist und euch zeigt, wie man einen Fuß vor den anderen setzt.«
Jana kommandierte wie ein Feldherr, während wir zu dritt durch das Haus eilten. Die nächstbeste Dienstmagd – sofort zu Paolos Kindermädchen und ihr auftragen, den Kleinen bei Mojzesz Fiszel abholen. Julia (die aus dem Saal geschossen kam, als sie Janas Stimme im Flur hörte) – sofort ins Schlafzimmer, eine Auswahl von meinen Kleidern herauslegen und ein heißes Bad vorbereiten. Im Kontor unten der der Treppe zunächst sitzende Schreiber – sofort zum Buchhalter, einen Schuldschein auf das Haus Dlugosz ausstellen lassen, Betrag …
»Wie viel?«, fragte sie Daniel. Er zuckte mit den Schultern.
»Sabina hat verhandelt …«
… Betrag wird noch genannt. Ein Botenjunge, der sich im Kontor aufhielt – sofort zum Laden hinüber und ein großes Säckchen von den Duftkräutern zusammenstellen lassen und zu Julia bringen wegen des Bades …
»Ich möchte dich gern so vieles fragen, mein Sohn«, sagte ich zu Daniel, während wir als Kometenschweif hinter Jana
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