Der Sohn des Tuchhändlers
dazustehen und dem Geschmack in meiner Kehle nachzufühlen, der bitter vom vermeintlichen Ende meiner Liebe schmeckte. Langsam wurde mir bewusst, dass Jana mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck musterte.
»Ich wollte dich nicht so sehr angreifen«, sagte sie.
»Schon gut«, hörte ich mich sagen. »Keine größeren Verluste, wenn man von der männlichen Eitelkeit absieht.«
»Und das bringt mich auf ein anderes Thema – nicht, dass wir nicht schon genug Sorgen am Hals hätten. Wir müssen unter unserem Gesinde einen Dieb haben.«
Ich mühte mich, mit ihrem Gedankensprung mitzukommen. »Was ist denn gestohlen worden?«
»Kümmere dich erst mal um deine Familie, da drüben kommt schon der Schreiber mit dem Wechsel. Lös deine Tochter aus, bevor sie noch an die Türken verkauft wird.« Sie zögerte, und ich hatte den Verdacht, dass sie eigentlich gern zu mir herübergekommen und mir über das Gesicht gestreichelt hätte, aber aus irgendeinem Grund unterließ sie es. Sie lächelte. »Der Schreiber wird mich zurückbegleiten. Du musst dich nicht eilen mit den beiden. Ich lasse ein schönes Abendmahl zubereiten, aber wenn ihr erst mit dem Schließen der Tore kommt, ist es auch in Ordnung. Nimm dir jetzt wenigstens die Zeit, die du damals hättest nehmen sollen.«
Ich ging zu ihr hinüber und nahm sie in die Arme, und einen winzigen Augenblick lang fürchtete ich, sie würde sich zurückziehen; doch sie umarmte mich ebenfalls und drückte sich an mich. Ich fühlte mich mit einem Mal erschöpft wie nach einem Tagesritt durch die Berge. Es gab noch immer mehr zwischen uns, als jetzt ausgeräumt war (beispielsweise ein bestimmtes Zimmer in ihrem Haus und einen Mann namens Fryderyk Miechowita), aber für den Moment tat es mir gut, diese Gedanken beiseite zuschieben. Ich dachte daran, dass Mojzesz Fiszel hoffentlich endlich die Audienz bei König Kasimir erreicht hatte, und wo ich gestern noch Hohn beim Gedanken daran verspürt hatte, regte sich nun wieder Hoffnung.
»Was ist gestohlen worden?«, fragte ich noch einmal.
»Ein Ring«, sagte sie, und alles was ich tun konnte, war, nicht zusammenzuzucken. »Ein Erbstück meiner Mutter. Wenn ich den Dieb erwische, lasse ich ihn aus der Stadt hinauspeitschen.«
»Die haben das Tor geschlossen«, sagte Daniel.
Sabina, die auf der anderen Seite des Reisewagens ging (sie hatte sich geweigert, sich hineinzusetzen, und so fuhr der Wagen mit dem wenigen Gepäck, das die beiden mitgebracht hatten, weniger als Transportmittel als vielmehr als Barriere zwischen uns mit), warf einen kurzen Blick zur Stadtmauer und vertiefte sich dann wieder in ihre Schuhspitzen.
»Gehen sie hier noch vor den Hühnern ins Bett?« Daniel grinste.
»Die Hühner bleiben hierzulande eigentlich eher länger auf.«
»Dann muss es doch schon später sein, als es aussieht. Sabina hat den ganzen Tag vertrödelt.« Daniel grinste noch breiter.
Meine Tochter reagierte nicht. Das Tor war nicht nur geschlossen, sondern auch doppelt besetzt. In der Regel standen die Torwachen in der offenen Durchfahrt und filzten die, bei denen es ihnen einträglich erschien; jetzt war auch der Zinnenkranz links und rechts des Torturms besetzt, und ich erkannte mit plötzlicher Sorge die gefiederten Schäfte von Pfeilen, die zu Bündeln gestellt über die Mauerbrüstung ragten. Die Schatten waren zwar um ein gutes Stück länger geworden, als wir von Kleparz aufgebrochen waren, aber bei weitem nicht lang genug, um es schon Torschluss sein zu lassen.
»Wenn sie uns nicht mehr reinlassen, können wir ja versuchen, nochmal bei Sabinas neuem Freund unterzukommen.«
»Dein loses Mundwerk macht die Sache nicht besser, kleiner Bruder.«
»Welche Sache denn? Meine Güte, hör endlich auf zu schmollen!«
»Schon gut, Daniel«, sagte ich und wusste, dass meine Einmischung die Lage nicht verbesserte. Daniel zuckte mit den Schultern. Der Bordellwirt hatte sich hocherfreut über Sabinas Ermittlungen bezüglich seiner Weinlieferungen gezeigt und die Peinlichkeit, die entstanden war, als er mich für einen Freier gehalten und mir erklärt hatte, dass Sabina ein Gast sei und daher nicht zur Verfügung stünde, noch erhöht, indem er – nachdem die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt waren – Daniel und mir einen kostenlosen Aufenthalt in seinem Etablissement als Gegenleistung für Sabinas Arbeit angeboten hatte. Während Daniel seither keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Sabina damit auf den Arm zu nehmen, hatte diese
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