Der Sohn des Tuchhändlers
Hufgetrappel in unserem Rücken geachtet; es war näher gekommen und hatte einen Reiter mit sich gebracht, der jetzt hastig zur anderen Seite des Pferdes hin abstieg, seinen verrutschten Hut gerade rückte und aufgebracht zu uns herüberkam. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich das Gesicht des Scharführers spannte. Er kannte den Neuankömmling, und offenbar erwartete er nichts Gutes von ihm. Ich konnte es ihm nachfühlen.
»Jetzt kommt einer, der die Dinge gerade rückt«, sagte Daniel fröhlich.
Der Mann nickte mir zu. Ich nickte mit zusammengebissenen Zähnen zurück. Dann erst erkannte er mich; seine Augenbrauen rutschten nach oben.
Es war Fryderyk Miechowita.
»Warum werden Sie hier aufgehalten? Warum ist das Tor verschlossen?« Er hielt mir eine Hand hin, und ich schüttelte sie notgedrungen. Es gab nicht das geringste Anzeichen von Verlegenheit an seiner Haltung; ein Gemütsmensch, wenn es je einen gegeben hatte.
»Wenn ich nicht wüsste, dass dies hier Krakau ist, würde ich sagen, wir haben es mit einem Anfall von Fremdenhass zu tun. Wobei die Fremden die Deutschen sind.«
Er lächelte flüchtig. »Sind Sie das nicht?«
Miechowita trat zu dem Scharführer hinüber und ließ einen polnischen Wortschwall los, der mir trotz Janas Schule absolut unverständlich blieb. Nach einem kurzen Austausch kehrte Miechowita zu mir zurück. Er hatte die Stirn gerunzelt und zupfte nachdenklich an der Pfauenfeder, die auf seine Schulter herunterhing. Sabina kam an meine Seite.
»Haben Sie herausgefunden, was hier los ist?«, fragte sie. Miechowita starrte sie an. Sie verzog ärgerlich das Gesicht. »Sie und mein Vater kennen sich offenbar, aber da er nicht genügend Anstand hat, mich vorzustellen, tue ich es eben selbst. Ich bin Sabina Hangenor«, sie deutete auf mich, »geborene Bernward. Mein Mann ist Kaufmann in Donauwörth.«
Miechowita trat einen Schritt zurück und lächelte. Er verneigte sich und nahm dazu sogar den Hut ab. »Mein Name ist Fryderyk Miechowita. Es ist mir eine Ehre.«
»Wenigstens ein Mann hat hier herum noch Anstand«, murmelte Sabina. Ich war Daniel dankbar dafür, dass er sich aus der Situation heraushielt.
»Was hier los ist, habe ich nicht herausgefunden«, sagte Miechowita mehr zu mir als zu Sabina. »Dass die Kerle das Tor nicht aufschließen wollen, liegt ja auf der Hand.«
Ich versuchte vergeblich, mich eines Gefühls der Häme zu erwehren, dass es auch ihm nicht gelungen war, die Torwachen zur Räson zu bringen. »Was haben sie gesagt?«
Sein Gesicht wurde eine Spur finsterer. »Dass es zur Sicherheit der Stadt geschieht.«
»Wir haben Krakau vor kaum zwei Stunden verlassen; in dieser kurzen Zeitspanne kann doch nichts passiert sein, was die Sicherheit der Stadt gefährdet …«
»Zumindest nicht von außen«, sagte er und schwieg, und ich horchte seiner Aussage hinterher.
»Was meinen Sie damit …?«, begann ich, aber er nahm meinen Arm und schob mich ein paar Schritte von den Torwachen weg. Ich erfuhr nicht, ob er damit andeuten wollte, was auchich zu befürchten begann: dass die plötzliche ungeniert gezeigte Abneigung der polnischen Wachen gegen meine deutsche Herkunft Spiegelbild dessen war, was hinter den Mauern passiert war … wir hörten Schläge gegen das Tor, und Miechowita und ich fuhren gleichzeitig herum.
»Macht das Tor auf!«, rief eine Stimme von innen, und ich brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen, dass sie deutsch gesprochen hatte. Daniel und Sabina sahen sich und dann mich an, und ich winkte sie zu mir heran. Selbst Miechowita schien es für geraten zu halten, im Augenblick in der Nähe seiner Mitmenschen zu bleiben. Die Torwachen zögerten.
Die Schläge wurden stärker. »Das Tor auf, wird’s bald!«
Der Scharführer straffte sich und rief zu den Männern auf dem Wehrgang etwas hinauf. Dann stellte er fest, dass diese nicht mehr auf ihrem Posten waren. Während er noch ratlos nach oben starrte, kam einer von ihnen um die Ecke eines der Flankentürme und gestikulierte wortstark herunter.
»Der Rat«, hörte ich Miechowita sagen.
Der Scharführer schrie zurück; es klang wie eine Rechtfertigung vor seinen eigenen Leuten. Offenbar merkte er dies selbst; er vollführte aufs Neue seinen kleinen Tanz … Naseputzen, Gürtelrücken, Fußstampfen (der Griff in den Schritt unterblieb) … dann scheuchte er die beiden Torwachen dorthin, wo er hergekommen war. Das Tor begann sich gleich darauf knarrend und kettenrasselnd nach oben zu bewegen. Ich
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