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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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gewesen war? Bis auf einen Rat und eine Polizeigewalt besaß Kleparz alles, was es auch in Krakau gab; vielleicht von manchem Gewerbe ein bisschen mehr.
    »Mädchen«, erklärte Daniel und räusperte sich.
    Jana zog die Augenbrauen zusammen.
    »Er hatte natürlich auch Stoffe und ein paar Waffen und ein paar Sack Getreide und Felle und Konfekt und ein bisschen Salz geladen – was sich so ansammelt, wenn ein Treck von einem Ort zum anderen zieht. Aber hauptsächlich waren es Mädchen.«
    »Was für ein guter Kaufmann«, sagte ich und grinste Jana an.
    »Für Krakau?«
    »So genau haben wir uns nicht erkundigt … ein paar sind sicher hiergeblieben.«
    »Ein Sklavenhändler!«
    »Nein, die Mädchen waren freiwillig dabei. Sie wissen schon: Statt sich auf einem kleinen Pächterhof totzuarbeiten … oder nicht mal dort ein Auskommen zu finden, wenn schon vier andere Kinder vor einem zu erben versuchen …«
    Der Kaufmann, der ein Zulieferer für die Bordelle zwischen hier und Lemberg war, kannte den Namen des Hauses Dlugosz (ich verbiss mir angesichts Janas Empörung darüber einen Kommentar) und war einverstanden mit dem Vorschlag, dass Daniel und Sabina sich in Krakau würden auslösen lassen. In Wittenberg hatte sich neben der Wachmannschaft auch ein reitender Bote aus Landshut, der dort auf eine Weiterreisemöglichkeit gewartet hatte, dem Zug hinzugesellt und erbot sich, eine Nachricht zu Jana zu bringen – der Mann, der auch die unselige Botschaft Herzog Georgs für Friedrich von Rechberg mit sich geführt hatte. Doch dann kam der Treck später als gedacht inKleparz an, der Bote wurde nicht mehr in die Stadt eingelassen, und am nächsten Morgen … am nächsten Morgen wurde Daniels und Sabinas Bitte um Hilfe richtig zugestellt, aber ein Trottel hatte sie empfangen und irgendwie keine Zeit gefunden, sie zu lesen.
    »Und wo ist Sabina jetzt?«
    »Na ja, Sie können sich ja vorstellen, zu wem der Treckführer die besten Beziehungen hatte. Der Bordellwirt löste uns aus, behielt Sabina als Pfand in seinem Haus und ließ mich ziehen, damit ich das Geld bei Frau Jana besorge. Er hatte keine Zweifel, dass das Haus Dlugosz die Schulden bezahlen würde.«
    »Ich frage mich, welches Gesindel noch alles meinen Namen im Mund führt«, brummte Jana.
    »Das Haus müsste hier irgendwo sein.« Daniel drehte sich um die eigene Achse. Er schob den Unterkiefer vor und machte ein finsteres Gesicht. »Jedenfalls war es vorhin noch hier.«
    Ich seufzte und sah mich um. In all den Jahren in Krakau war ich noch nie nach Kleparz gekommen; das Haus Dlugosz hatte es nicht einmal nötig, Schreiber oder Buchhalter hinauszusenden, wenn ein Treck für es angekommen war; die Treckführer brachten Proben der Waren zu uns ins Haus, und Jana suchte in aller Ruhe aus, was sie abnehmen würde. Jana und ich wechselten einen Blick, und plötzlich zuckte ein Lächeln über ihre Lippen, das sich nicht mehr wegwischen ließ. Ich dachte an ihr Arbeitszimmer und Fryderyk Miechowita, und das Lächeln, das ich zurückschickte, fiel wieder in sich zusammen; wir haben solch eine Nähe erreicht, dachte ich und fühlte das Entsetzen wieder, das ich vorhin auf dem Weg vom Saal zu Janas Zimmer empfunden hatte, warum setzt du sie aufs Spiel?
    »Wenn du dich hier auskennst, solltest du es besser nicht zugeben«, sagte Jana zu mir und lächelte noch immer. Die Gedanken, die mir durch den Kopf geschossen waren, hatten sich ihr nicht mitgeteilt.
    »Seit dem letzten Mal haben die hier alles umgebaut.«
    »Es war dunkel, als wir gestern angekommen sind, und heute Morgen bin ich so schnell ich konnte zur Stadt gelaufen …«
    »Jaja«, sagte Jana. »Ich lebe seit über zehn Jahren mit Ihrem Vater zusammen. Erzählen Sie mir nichts.«
    Als wir Sabina fanden, war sie in einen unordentlichen Haufen Listen vertieft und blickte nicht auf. Ich betrat das Haus als Erster und blieb auf der Schwelle stehen. Daniels Anblick hatte trotz der merkwürdigen Situation mein Herz einen Sprung tun lassen; der Anblick meiner ältesten Tochter machte mich geradezu beklommen. Meine Tochter Maria war ein Ebenbild ihrer Mutter, und Daniel hatte von mir nur die mangelhafte Orientierung und die Körpergröße geerbt; dass Sabina meine Tochter war, hätte man jedoch im Dunkeln erkannt. Ich hatte Sabina zum letzten Mal gesehen, als ich von Augsburg aus nach Krakau gereist war, um dort zusammen mit Jana meinem Leben einen neuen Ankerpunkt zu geben; Sabina lebte mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in

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