Der Sohn des Verräters - 21
ist sehr schwer, weiterhin an die Macht von Göttinnen zu glauben, wenn du nie eine gesehen hast und von Leuten umringt bist, die so viele Verschiedene und gegensätzliche Dinge glauben.“ Marguerida antwortete nicht, sondern dachte an ihre persönlichen Erfahrungen. Ihre Erinnerung kehrte zu dem Moment ihrer Heirat mit Mikhail zurück, an der Varzil der Gute und die Göttin Evanda teilgenommen hatten. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass es tatsächlich so gewesen war, aber es widerstrebte ihr, ihrer neuen Freundin davon zu erzählen.
Es war eine sehr persönliche Erinnerung, und auch jetzt noch, Jahre danach, empfand sie so viel Ehrfurcht, dass sie nur mit Mikhail darüber sprechen konnte.
Zuletzt sagte sie: „Die darkovanische Mythologie ist ziemlich einfach – zwei männliche und zwei weibliche Gottheiten und keine nennenswerte Theologie. Die Götter sind eher wie Naturkräfte, die man gelegentlich zeremoniell anruft und ansonsten nicht weiter. beachtet. Es gibt auch noch andere kleinere Gottheiten. Aber ich glaube, die Leute haben die allgemeine Einstellung, dass sie die Götter am besten in Ruhe lassen, solange sich diese nicht aktiv in ihr Leben einmischen.“ Sie hielt kurz inne. „Oben in Nevarsin gibt es eine Kultgeme inde namens Cristoforos . Ihr Glaube ist monotheistisch und wird von den meisten Darkovanern nicht geteilt, aber sie waren jahrhundertelang ein Zentrum des Lernens.
Früher wurden viele Söhne des Comyn zur Ausbildung dorthin geschickt – darunter auch Regis Hastur. Die Sitte ist in letzter Zeit aus der Mode gekommen, obwohl Giselas ältester Sohn aus ihrer ersten Ehe zu den Cristoforos gegangen ist und anscheinend beschlossen hat, bei ihnen zu bleiben. Ich kann jedoch sagen, dass es auf Darkover nie einen Religionskrieg gab, aber mehrere aus den sonst üblichen Gründen.“ „Ist dir schon einmal aufgefallen, Marguerida, dass du von den Darkovanern sprichst, als wären sie ein fremdes Volk, nicht dein eigenes?“ „Tatsächlich? Ja, ich glaube, du hast Recht. Obwohl ich schon fast siebzehn Jahre lang hier lebe, fühle ich noch immer eine gewisse Distanz, als käme ich von einer anderen Welt.
Oder vielleicht ist es auch die Haltung einer Gelehrten, die mich alles möglichst objektiv beurteilen lässt. Außer was Musik angeht. In dieser Beziehung kenne ich nur Leidenschaft, und Mik wird manchmal sogar ein bisschen eifersüchtig.“ Katherine lachte. „Herm geht es mit meiner Malerei genauso, auch wenn er es nicht zugibt. Einmal kam er herein, als ich in unserer Wohnung arbeitete – die insgesamt fast in dem Atelier Platz hätte, das du mir gegeben hast –, auf meine Leinwand starrte und überlegte, ob ein bisschen Zinnoberrot in den Schatten gut täte. Ich habe seine Anwesenheit kaum registriert, deshalb hat er sich nach ein paar Minuten geräuspert und mich fast zu Tode erschreckt. So siehst du mich nie an, sagte er, und ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, aber ich tat es nicht. Er hat nämlich Recht. So sehr ich ihn auch anbete, von seiner Spiegelglatze bis zu seinen äußerst wo hlgeformten Füßen – ein Teil von mir gehört nur meiner Arbeit. Er muss nie befürchten, ich könnte ihm untreu werden, aber er hat in der Tat Konkurrenz.“
Marguerida entfuhr ein Seufzer. „Ja, ich kenne das. Ich habe gerade an einer Oper zu Regis’ Geburtstag geschrieben, als er starb. Ich wollte etwas so Großartiges schaffen wie Die Flut von Ys deines Vorfahren und habe dazu die Legende von Hastur und Cassilda benutzt, einen berühmten Liederzyklus auf Darkover. Jetzt weiß ich nicht, ob ich mich wohl je aufraffen kann, sie zu vollenden.“ Dieses Eingeständnis kostete sie große Überwindung, aber irgendwie linderte es einen Schmerz in ihrer Brust, den sie bis dahin gar nicht bemerkt hatte. Sie dachte an die frisch abgeschriebenen Partiturseiten und wie die Tinte darüber geflossen war, als Regis seinen Schlaganfall erlitt.
„Du musst sie vollenden, Marguerida. Wenn du es nicht tust, wird es dir ewig nachhängen und dich unglücklich machen.“ „Woher weißt du das?“ „Weil ich Künstlerin bin und weil ich mich an Amedi Korniel erinnere.“ „Ich will dich schon die ganze Zeit nach ihm fragen, aber irgendwie scheint nie der richtige Moment dafür zu sein.“ Marguerida war beinahe erleichtert, dass sich das Gespräch von Göttinnen und Göttern wegbewegte oder von ihrem Gefühl des Fremdseins auf ihrem Geburtsplaneten.
„Frag ruhig – jetzt passt es so gut wie
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