Der Sohn des Verräters - 21
Erbrochenem bedeckt, auf dem Boden lag. Die Hände zerrten heftig, und die Leiche begann sich zu bewegen. Als sie auf die Erde aufschlug, gab es ein dumpfes, widerwärtiges Geräusch, und Marguerida spürte, wie ihr die Galle in der Kehle aufstieg. Sie schluckte schwer und zwang ihr Mittagessen, im Magen zu bleiben, und in diesem Moment wurde die Tür auf der anderen Seite der Kutsche aufgezogen.
Draußen standen mit ängstlichem Blick ein Mitglied der Garde und eine der Entsagenden. Marguerida hörte, wie der Leichnam weggeschleift wurde, dann beugte sich Mikhail ins Innere der Kutsche. Herm stöhnte und öffnete langsam die Augen. Er versuchte sich vorzulehnen und stieß einen Schmerzenslaut aus. Katherine schob die blutigen Hände unter seine Arme und stützte ihn, so gut es ging.
„Schafft ihn raus und bringt eine Trage“, befahl Mikhail dem Gardisten auf der anderen Seite des Gefährts. „Katherine, du könntest jetzt aussteigen, dann kommt man leichter an Herm heran.“ Als die Frau sich nicht rührte, wurde sein Ton schärfer. „Lehn ihn an die Bank und komm raus!“ Sie starrte ihn verblüfft an, doch schließlich ließ sie ihren Mann langsam gegen die Rückwand sinken und kletterte nach draußen. „Ich steige nie mehr in eine Kutsche! Nie wieder!“ Dann begann sie zu weinen.
Die Kutsche schaukelte, als der Gardist hineinstieg, während die Entsagende an Herms Oberkörper anpackte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie ihn aus der beengten Lage befreit hatten, aber Marguerida, die immer noch bewegungsunfähig auf der Bank hockte, kam es unendlich lange vor.
„Keine Angst, Mutter. Das hier ist Danila, und Tante Ra fi sagt, sie sei eine gute Heilerin.“ Domenic lachte leicht hysterisch. „Sie versucht schon seit Tagen, Onkel Herm in die Finger zu kriegen. Los jetzt, lass uns auch aussteigen. Ich helfe dir.“ Eine Hand griff nach ihrer Taille, und ein schlanker Ann legte sich von der anderen Seite her darum. Sie roch den Körper ihres Sohnes, als er sie an sich zog, seinen übel riechenden Atem, so nahe, dass ihr fast wieder schlecht wurde.
Unter die Gerüche von Angst und Schweiß mischten sich der Duft von Holzrauch und ein Anflug von Berglavendel, der aus seiner Kleidung aufstieg. Zum ersten Mal in ihrem Leben stützte sie sich auf ihren Ältesten und ließ sich von ihm auf die Beine helfen. Er war in Sicherheit, und das war alles, was zählte.
Nachdem sie die Kutsche verlassen hatten, hielt Domenic weiter den Arm um seine Mutter gelegt, als wüsste er, sie würde andernfalls zusammenbrechen. Dann riss Mikhail sie beide in die Arme, und Marguerida legte den Kopf an seine breite Schulter. So standen sie zu dritt da, umgeben von Bewaffneten und den Schreien der Verletzten. Etwas fehlte allerdings, und nachdem sich Marguerida eine Weile das müde Gehirn zermartert hatte, fiel ihr auf, dass das Geräusch der terranischen Schusswaffen verstummt war.
Widerwillig ließ Mikhail sie los. „Wie kam dieser Mann in die Kutsche?”, verlangte er mit zorniger, aber fester Stimme zu wissen.
„Er brach durch unsere Reihen und stürzte hinter ihnen zu Boden, Vai Dom. Wir … ich hielt ihn für tot, und es passierte gerade so viel …“ „Verstehe”, sagte Mikha il, wobei er unbewusst einen Tonfall nachäffte, dessen sich Regis bedient hatte, wenn er ungehalten war. Er blickte über die Leichen von Terranern und Darkovanern hinweg, die über den Boden verstreut lagen. „Er war ein bisschen schlauer als seine Freunde. Alles in Ordnung mit dir, Caria ?“ Seine Stimme hatte einen barschen Unterton, den sie gar nicht an ihm kannte, und sie sah ihn durchdringend an. Dann wurde ihr klar, dass er sich allein durch Willenskraft aufrecht hielt und dass sie seinetwillen nun stark sein musste.
„Ja, Mik, es geht schon besser“, log sie absichtlich. Er wusste ebenfalls, dass es eine Lüge war, aber er nickte nur und drückte kräftig ihre Schulter. Domenic war immer noch neben ihr und hatte den Arm um ihre Mitte gelegt, und sie sah ihm ins Gesicht. Es war noch das vertraute Gesicht, das sie so gut kannte, aber es war nicht mehr die Person, die sie vor einigen Stunden in Carcosa begrüßt hatte. Der Junge war für alle Zeit verschwunden. Vor ihr stand nun ein Mann. Sie empfand Trauer, den tiefen Stachel des Verlusts, und sie wünschte, sie könnte das unschuldige Kind zurückholen, das sie so sehr geliebt hatte. Aber dafür war es zu spät.
Der Himmel über ihr verdüsterte sich, und als Marguerida nach
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