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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Schachspiel und die alten Ahnentafeln satt, und sie hatte es satt, nichts weiter als eine kleine Figur in den wechselnden Machtspielen auf der Burg zu sein. Sie müsste eigentlich Königin sein und wäre es vielleicht auch geworden, ohne Marguerida. Aber dieser Gedanke war schon ganz abgenutzt, so oft hatte sie ihn bemüht, und sie ließ ihn wieder fallen.
    Wenn sie sich doch nur aus dieser Niedergeschlagenheit befreien könnte, die seit Jahren von ihr Besitz ergriffen hatte, seit der Geburt ihres letzten Kindes. Gisela hatte Heiler aufgesucht, scheußlich schmeckende Sude getrunken und Tiefenmassagen erduldet – alles umsonst. Sie hatte kein Interesse an der Art öffentlicher Bemühungen, denen sich Marguerida hingab, und hielt diese nur für einen Dreh ihrer Rivalin, mit dem sie zeigte, was für eine großherzige Dame sie war. Das Schlimmste war, dass es ihr nach fünfzehn Jahren in Thendara und beinahe täglichem Kontakt mit ihrer Schwägerin noch nicht einmal gelang, sie zu hassen. Abneigung war da, natürlich – eine gemeine und kleinliche Empfindung, für die sie sich lediglich hässlich und schmutzig vorkam. Wenn Marguerida doch nur so herrschsüchtig und schwierig wäre wie Javanne Hastur, und nicht so verdammt anständig. Wie ärgerlich! Etwas wie ein Kichern stieg in ihre Kehle, und ihre trübe Stimmung begann aufzubrechen. Für einen Moment versuchte sie sich daran festzuhalten, in ihren düsteren Freuden zu verweilen, aber sie war ihrer überdrüssig und ihre Trübsal entfloh, wohin auch immer solche Dinge gehen. Sie brauchte eine Aufgabe, eine richtige Aufgabe, nicht diese blassen Intrigen, die sie auf Geheiß ihres Vaters in den ersten zehn Jahren in der Stadt gesponnen hatte. Sie hatten ihr nichts eingebracht, außer dem Misstrauen vo n Regis Hastur und, als Folge davon, den Ausschluss ihres Mannes von jedweder tatsächlichen Macht. Rafael hatte sich nie beschwert, nie etwas gesagt, aber sie wusste, es gärte in ihm, und sie hatte ihn tief verletzt.
    Dabei hatte sie das gewiss nicht gewollt. Auch wenn sie in ihrer Jugend völlig in Mikhail Hastur vernarrt gewesen war, wusste sie nun, dass es weiter nichts gewesen war, eine mädchenhafte Zuneigung, verbunden mit dem noch stärkeren Wunsch nach Macht. Nach ihrer gnädigerweise kurzen Ehe mit ihrem ersten Mann, der die Güte hatte, sich beim Jagen den Hals zu brechen, bevor sie Mittel und Wege fand, ihn zu ermorden, hatte sie sich geschworen, sich nie wieder zur Schachfigur ihres Vaters machen zu lassen. Und der beste Weg dazu schien ihr damals eine Heirat mit Mikhail zu sein, durch die sie zur Gattin des designierten Erben wurde. Was für eine Närrin sie doch war!
    Nichts stellte sie zufrieden, und sie wusste, das lag an ihrem eigenen Charakter und an nichts anderem. Jahre bitterer Nabelschau hatten Narben auf ihrer Seele hinterlassen, obwohl sie sich heftig bemühte, ihrer Existenz einen Sinn zu verleihen. Da waren die Kinder, aber sie hatte nie vermocht, mehr als ein gespieltes Interesse für sie aufzubringen. Und da war Rafael, die einzige Konstante in ihrem Leben. Seltsam eigentlich, wie sie ihren Mann mit der Zeit zu schätzen gelernt hatte, obwohl seine Nachsicht und sein stummes Erdulden sie mit den Zähnen knirschen ließen. Wenn er sie doch nur manchmal anschreien würde. Sie wünschte, er würde ihr Manieren beibringen, und wusste, er würde es nie tun. Das war seine Charakterschwäche, so wie Missgunst die ihre war.
    Gisela hörte ihn kommen, bevor er den Raum betrat, diesen besonderen Schritt, den sie überall erkannt hätte. Dann war er neben ihr, seine Kleidung roch nach der frischen Luft außerhalb der Burg, nach Holzkohlenfeuer und der warmen Ausdünstung von Pferden. Er hatte Herm vom Raumhafen abgeholt und kam eben zurück. Er beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf die Stirn.
    „Und, geht es meinem Bruder gut?“ Sie zwang sich zu ein wenig Interesse, wenngleich sie sich wie durch eine dicke Watteschicht zurück in die Gegenwart schleppen musste.
    „Ja, allerdings ist er sehr müde. Seine Frau und die Kinder sehen aus, als kämen sie aus einer von Zandrus Höllen.“
„Es ist schwer, sich Herm vermählt vorzustellen. Wie ist sie?“
„Naja, ich kenne sie jetzt seit einer Stunde, und die meiste Zeit hat sie ihm mächtig Zunder gegeben, weil er sie nach Darkover geschleift hat.“ Er lachte leise. „Sie ist sehr hübsch dunkles Haar, helle Haut und ein nettes Lächeln. Auch klug, glaube ich, und nicht leicht unterzukriegen.

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