Der Sohn des Verräters - 21
erkannte er, dass Domenic Recht hatte. Wenn sie die Geschichte nicht von ihm erfuhr, dann aus einer anderen Quelle und wahrscheinlich mit Einzelheiten ausgeschmückt, die eher Fantasie als Wahrheit waren. Er konnte sich gut Giselas Version ihrer Abenteuer vorstellen.
Fragend sah Katherine vom Sohn zum Vater. Sie war wirklich eine gut aussehende Frau. „Jetzt bin ich aber sehr gespannt. Meine Nana sagte immer, ich sei so neugierig wie ein ganzer Sack Katzen. Und ehrlich gesagt, höre ich alles lieber als die Torheiten der Föderation. Dieses Thema habe ich gründlich satt.“ Ein Diener räumte ihre Suppenschale ab und ersetzte sie durch einen Teller mit gegrilltem Fisch. Mikhail hatte seine Portion bereits erhalten und griff nach seiner Gabel. Er spießte einen Bissen Fisch auf, der leicht mit Kräutern gewürzt war.
Als er hinuntergeschluckt und ein wenig Wein getrunken hatte, begann er: „Domenic meint, dass Marguerida und ich in die Vergangenheit gezogen wurden – etwa siebenhundert Jahre zurück. Dort hat uns ein alter Laran namens Varzil der Gute verheiratet, der von der Domäne Ridenow stammte.
Es kommt selbst mir alles reichlich fantastisch vor, und ich war dabei!“ Dann verfluchte er sich für seine unbeholfene Wortwahl und merkte, wie müde er immer noch war.
Katherine würgte, und Domenic versetzte ihr ein paar feste Klapse zwischen die nackten Schulterblätter. Sie rang nach Luft, ihre Augen traten hervor. Dann kam sie wieder zu Atem, trank den neu gefüllten Becher mit wenigen Schlucken aus und sah Mikhail an. „Sie meinen es ernst, hab ich Recht?“ „Ja, aber ich erwarte nicht, dass Sie mir glauben, wenn selbst meine eigene Mutter sehr an der Wahrheit der Geschichte zweifelt. Ich kann nur sagen, ich war dabei und weiß, was passiert ist. Sie müssen mir nicht glauben.“ Er schaute auf das schwere Di-CatenasArmband an seinem Handgelenk, das für eine n anderen Mann gefertigt worden war, dessen Name eine Abwandlung von Mikhail war, dann sah er die Tafel hinab zu seiner Frau und dachte an jene seltsame, magische Zeit.
„Sie sind durch die Zeit gereist?“ Katherine war erstaunt und ungläubig, aber die Neugier gewann die Oberhand.
„Ja.“ „Wie war es?“ Ihre Frage verblüffte Mikhail; eine solche Reaktion hatte er nicht erwartet. „Es war sehr unbequem.“ Katherine begann zu lachen. In ihren Augenwinkeln bildeten sich Tränen, die ihr kurz darauf über die Wangen rollten.
Sie tupfte sie mit der Ecke ihrer Serviette ab. Schließlich hatte sie sich wieder unter Kontrolle und wandte sich an Domenic.
„Ist er immer so kurz angebunden?“ „Meistens, außer wenn er Rhodri eine Standpauke hält.“ Domenic sah seinen Vater liebevoll an, was den Worten größtenteils ihre Schärfe nahm. Aber nicht ganz. Mikhail erinnerte sich nämlich noch lebhaft an den Tag, an dem Dani Hastur ihm erzählte, dass sein Vater anscheinend nie Zeit hatte, mit ihm zu reden. Ging es Domenic etwa genauso? Mikhail hatte sich geschworen, ein guter Vater zu sein und seine Kinder nicht auf diese Weise zu vernachlässigen. Nun fühlte er sich als Versager. Schon gut, Vater. Du hörst mehr zu, als du redest, das ist alles. Und du machst dir zu viele Sorgen.
Danke, Domenic. Du weißt, dass du immer zu mir kommen kannst, oder?
Ja, aber ich habe nicht viel zu sagen.
Bist du glücklich, mein Sohn?
Nein, aber daran kannst du nichts ändern. Und ich möchte nicht darüber sprechen, weder jetzt noch ein andermal.
Wie du meinst. Bedrückt wandte sich Mikhail wieder seinem Essen zu. Dann fiel ihm ein, wie kompliziert er selbst mit fünfzehn gewesen war. Er zwang sich, die Angelegenheit entspannt zu sehen, wahrscheinlich handelte es sich nur um die normalen Probleme, die das Erwachsenwerden so mit sich brachte und die sich mit der Zeit von allein lösten. Welcher Teenager war schon glücklich? Wahrscheinlich kein Einziger.
Mikhail blickte von seinem Teller auf und bemerkte, dass Marguerida ihn vom anderen Tischende her ansah. Sie schenkte ihm ein wundervolles Lächeln, eines von der Art, das ihn stets zu trösten und ermutigen vermochte, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Herm Aldaran zu. Der tiefe Schmerz über den plötzlichen Tod seines Onkels und die Wirklichkeit dessen, dass er jetzt der wahre Herrscher Darkovers war, schienen bei ihrem Blick ein wenig nachzulassen.
Mit Marguerida an seiner Seite konnte er allem ins Auge sehen, egal wie unmöglich es zunächst aussah. Er war beruhigt und erlaubte sich, an nichts
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