Der Sohn des Verräters - 21
interessiert zu sein, wie sie helfen konnte.
Sie hatte Katherine in der Handhabung der mehrlagigen Unterröcke unterwiesen, die jede darkovanische Frau tragen sollte. Jeder Rock war in einem geringfügig dunkleren Ton gefärbt, und als Katherine sie zusammen mit einem zarten Unterhemd anlegte, sah das nicht nur sehr hübsch aus, sondern war auch angenehm warm. Ein mit Blättern bestickter Rock und eine passende Jacke vervollständigten ihre Erscheinung.
Die Farben passten besser zu einer Rothaarigen als zu Katherines Haarton, aber es war ganz in Ordnung, und als Gisela sie Platz nehmen ließ und ihr das Haar zurechtmachte, das sie mit einer sehr schönen Schmetterlingsspange feststeckte, gefiel Katherine nicht nur der Anblick im Spiegel, sondern sie vergab auch ihrer neuen Schwägerin. Der bohrende Verdacht, Gisela könnte etwas im Schilde führen, ließ nach, wenngleich Katherine es für töricht gehalten hätte, ihre Deckung in Gegenwart dieser offenbar durchtriebenen Frau, deren Pläne sie nicht kannte, völlig sinken zu lassen.
Die Fahrt zur Malergilde war angenehm gewesen. Gisela hatte sie auf einige interessante Dinge hingewiesen und ihr auch ein wenig von der Geschichte Darkovers erzählt. Sie hatte sich lebhaft und beredt gegeben, gar nicht wie die schüchtern manipulierende Frau, die Katherine am Vortag besucht und ihr den Eindruck vermittelt hatte, das Tragen von Abendkleidung im Stil der Föderation sei die korrekte Aufmachung für das Empfangsbankett. Doch nun schien Gisela müde und nicht ganz auf der Höhe zu sein, als wäre ihr die Rückkehr in die Burg unangenehm.
Katherine überlegte, was sie sagen könnte, sie hätte gern die vorherige Stimmung wiederhergestellt, bei der ihr wesentlich wohler war. Sie nahm entfernt wahr, dass Gisela, genau wie Herm, ein merkwürdig erholsamer Mensch für sie war.
Katherine hatte es immer zu schätzen gewusst, dass ihr Mann seine Gefühle so gut verbergen konnte, und offenbar besaß Gisela dieselbe Eigenschaft. Dieses Fehlen emotionaler Bedürfnisse hatte ihre Ehe stets friedlich verlaufen lassen. Es ärgerte sie, dass Herm so viele Geheimnisse vor ihr gehabt hatte, aber das war eine völlig andere Sache, mit der sie auf ihre Weise umgehen würde.
„Danke noch mal, dass du mich begleitet hast. Obwohl mir Herm einiges an Casta beigebracht hat, wäre ich ohne dich nie zurechtgekommen, Mein Wortschatz hätte nicht gereicht.“ Gisela lächelte vage und nickte. Dann zupfte sie am Saum ihrer Jacke und setzte sich ein wenig auf. „Selbst wenn er die Ausdrücke kennen würde, was ich sehr bezweifle, hätte er wahrscheinlich nicht daran gedacht, dass es so viele Fachbegriffe für Maler gibt. Und ehrlich gesagt, würde ich sie selbst nicht kennen, wenn ich mich in den letzten zehn Jahren nicht derart gelangweilt hätte, dass ich alles gelesen habe, was ich in die Finger bekam, ob mich das Thema ursprünglich interessierte oder nicht. Eines der Bücher, die ich im Archiv der Burg fand, war eine rund dreihundert Jahre alte Abhandlung Über die Malkunst. Das Pergament war vergilbt und begann bereits zu zerfallen, ich musste also vorsichtig sein. Und ich glaube nicht, dass außer mir und dem Archivar überhaupt jemand von der Existenz dieser Schrift weiß. Ich habe viele Informationen daraus gezogen, von denen ich nie erwartete, dass ich sie je brauchen würde. Es war ganz lustig, endlich manches davon anwenden zu können.“ Sie klang allerdings nicht belustigt, sondern eindeutig unzufrieden. Aber irgendwie beunruhigten Katherine diese Gefühle nicht. Vielleicht war diese Zurückhaltung ein Charakteristikum der Familie. Sie überlegte kurz, ob Herms Bruder, Robert Aldaran, und sein Vater wohl genauso waren.
Katherine versuchte sich ein Leben vorzustellen, das so eingeengt war, wie es das von Gisela zu sein schien, und die Frau tat ihr nicht wenig Leid. „Na, dann kann ich ja froh sein, dass dir langweilig war, denn für mich war es ein Glücksfall. Langweilst du dich denn oft?“ Gisela sah sie an, ihre grünen Augen leuchteten im Licht, das durch die Fenster des Gefährts fiel, und es schien, als suchte sie nach einer versteckten Bedeutung in Katherines Worten. „Ja, meistens.“ Katherine spürte eine plötzliche Anspannung bei ihrer Schwägerin und erkannte, dass sie vorsichtig zu Werke gehen musste. „Das tut mir Leid, aber ich verstehe es nicht. Ich stelle mir ein Leben in der Burg ziemlich … angenehm vor.“ Als Antwort kam ein bitteres Lachen. „Mag sein,
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