Der Sohn des Verräters - 21
„Wieso?“ Er spürte jetzt einen Anflug von Wut und Feindseligkeit.
„Terese muss auf Laran geprüft werden, und zu diesem Zweck reisen wir zum Turm von Arilinn, der östlich von hier liegt. Ich war selbst noch nie dort, deshalb freue ich mich schon sehr darauf.“ Kaum waren die Worte gesprochen, wurde ihm klar, dass er die Lage falsch eingeschätzt hatte.
„Verdammt noch mal, Herm! Hattest du noch vor, es mir zu sagen, oder wolltest du mich einfach eines Morgens wecken und bekannt geben, dass wir jetzt dorthin fahren? Wir reden hier über meine Tochter. Was ist los mit dir?“ „Warum bist du nur so wütend?“ „Weil du dich so selbstherrlich benimmst, dass ich … dir die Augen auskratzen könnte! Warum muss Terese zu diesem Arilinn fahren? Das ist nicht auszuhalten. Kaum bekomme ich ein Bein auf den Boden, wird es mir wieder weggezogen!“ „Das habe ich dir doch gesagt, Kate! Sie besitzt höchstwahrscheinlich Laran und muss unbedingt überprüft werden, damit das Wesen ihrer Gaben bestimmt werden kann.“ Katherine verschlug es einen Moment lang die Sprache.
„Du meinst, mein kleines Mädchen …?“ Er hat wirklich versucht, es mir mitzuteilen, aber ich wollte nicht zuhören!
„Unser kleines Mädchen, Katherine. Sie ist auch meine Tochter und hat genauso viel von mir geerbt wie von dir.“ „Das halte ich nicht aus!“ „Sei doch vernünftig, Kate. Glaub mir, das Letzte, was wir gebrauchen können, ist eine wilde Telepathin in der Familie.
Eine nicht ausgebildete Telepathin stellt eine Gefahr für sich selbst und ihre Umgebung dar. Wenn Terese Laran besitzt, muss sie lernen, es richtig zu benutzen.“ „Eine wilde … das klingt so seltsam.“ Plötzlich begann sie zu weinen. Mein kleines Mädchen, mein Kind! Dieser Planet ist schrecklich, und ich habe solche Angst. Was werden sie mit ihr machen – wie sehen diese Prüfungen aus? Ich muss es verhindern! Terese war noch nie von mir getrennt, sie wird sich fürchten. Und wie wird sie erst sein, wenn sie Gedankenlesen lernt? Ach, Könnte ich jetzt doch nur mit Nana reden. Ich kenne nicht einmal diesen Mann hier, und ich werde diese Welt nie verstehen.
Voller Verzweiflung schlug sie die Hände vors Gesicht und stieß einen Klagelaut aus, den Herm noch nie zuvor von ihr gehört hatte, so schrecklich, dass es ihm das Herz zeriss. Er hätte Katherine gern getröstet, aber er wusste, dass bloße Worte nicht helfen würden. Vielleicht hätte er sie nicht nach Darkover bringen sollen. Er hatte das Problem nicht durchdacht, wie es war, kopfblind zu sein, wie Furcht erregend es für sie sein musste, egal was sie an beruhigendem Zuspruch erhielt. Das Gleiche galt für Amaury. Wie würde sich der Junge fühlen, wenn sich herausstellte, dass seine Schwester eine Telepathin war? Herm hatte seinem Stiefsohn noch nichts erklärt, und er freute sich nicht eben darauf. Mit Beklommenheit wurde ihm klar, dass die sich gerade entwickelnde Freundschaft zwischen Amaury und Rhodri zu Enthüllungen führen könnte, die altes durcheinander brachten. Dabei war er so müde!
Herm schrak innerlich zurück vor den vielen Verschiedenen Möglichkeiten, die ihm durch den Kopf wirbelten. Er hatte das Gefühlschaos der Leute immer verabscheut und war zutiefst dankbar, dass er nicht die Ridenow-Gabe der Empathie besaß.
Er wusste, dass er Burg Aldaran und Darkover auch verlassen hatte, um dem Strudel dieser Tragödien zu entfliehen, die so sicher kamen wie der Schneefall. Jetzt gab es ihm einen Stich, als er begriff, dass es Kates Zurückhaltung und Beherrschtheit gewesen waren, die ihn an ihr so fasziniert hatten. Sie stellte keine großen Ansprüche an seine Gefühle und hatte selten ihr eigenes, feuriges Temperament gezeigt. Es war unendlich erleichtert gewesen, einen Menschen zu finden, der so sehr von seiner Arbeit in Anspruch genommen wurde wie Kate Von ihrer Malerei, dass sie ihn nicht mit kleinlichen Streitereien belästigte.
Irgendwie hatte Herm die Erwartung im Hinterkopf gehabt, dass Katherine … ja, was eigentlich? Aufhörte, sie selbst zu sein, nicht mehr klug und unabhängig, sondern passiv und gehorsam? Dass sie ihn das Regiment führen ließ? Wie kam er nur darauf? Sie hatte es doch vorher auch nicht getan. Sie würde sich niemals in eine brave darkovanische Ehefrau verwandeln, und er war ein Narr, wenn er das erwartete. Die Sache würde unangenehm werden, das wusste er, und ihm war auch klar, dass er ihr nicht entrinnen konnte. Er wünschte sich weit weg, an
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