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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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einen entlegenen Ort, an dem es keine Probleme zu entwirren gab.
    Vergeblich schimpfte sich Herm einen Egoisten und Dummkopf. Warum hatte er es Katherine denn nicht früher erzählt? Wirklich nur aus Angst vor den lauschenden Ohren der Terraner, oder gab es noch andere Gründe? In einem seltenen Moment der Selbstprüfung kam er zu dem Schluss, dass er sich vor Katherines Reaktion geängstigt hatte. Er hatte befürchtet, sie könnte genauso reagieren, wie sie es jetzt tat - mit Wut und Angst. Er hatte nicht Gefahr laufen wollen, sie zu verlieren, und gehofft, die Situation würde sich nie einstellen.
    Was für ein Idiot er doch gewesen war. Mit welchen Lügen hätte er denn Tereses Schwellenkrankheit erklären wollen, wenn sie erst eingesetzt hätte? Seine geliebte Tochter hätte sterben können, wenn er nicht nach Darkover zurückgekehrt wäre!
    Hermes erkannte, dass er seine Frau tief verletzt hatte mit seinem Ausweichen und Leugnen. Er hätte Terese zu ihrer eigenen Sicherheit in ein paar Jahren ohnehin nach Darkover bringen müssen, aber er hatte sich geweigert, darüber nachzudenken, bis ihn eine Krise dazu zwang. Er hatte alles Mögliche verpfuscht.
    Herm war erschüttert, als ihm die Ungeheuerlichkeit seiner Torheit endlich vollständig bewusst wurde. Sie strafte das große Vertrauen Lügen, das Herm stets in sich selbst gehabt hatte, in seine angeborene Listigkeit und Klugheit. Beides kam ihm jetzt wertlos vor, die falschen Werkzeuge. „Als zerlegte man den Braten mit dem Löffel“, wie sie in den Hellers sagten.
    Hier ging es nicht darum, vor den interessierten Augen eines politischen Gegners etwas vorzutäuschen, hier ging es um eine andere Art von Problem, um ein menschliches, mit zahlreichen widerstreitenden Gefühlen. Widerstrebend gestand er sich ein, dass er mit starken Gefühlen nicht besonders gut umgehen konnte. Zu sehr riefen sie ihm die endlosen Spannungen ins Gedächtnis, die er als Kind auf Burg Aldaran erlebt hatte, wo laute Stimmen und Wutausbrüche an der Tagesordnung gewesen waren. Er hatte Darkover nicht nur verlassen, um seinem Heimatplaneten zu dienen, sondern auch um all dem zu entfliehen.
    Katherine wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und schniefte geräuschvoll. Herm langte in seinen Beutel, holte ein viereckiges Sack Leinen heraus und reichte es ihr. Dieser gewöhnliche Gegenstand – ein veraltetes Stofftaschentuch – machte ihm spürbar deutlich, wie anders hier alles war, nicht einmal Papiertaschentücher gab es auf Darkover, es sei denn, im HQ traf eine Lieferung ein. Nichts war hier leicht verfügbar, weder Schnäuztücher noch Menschen. Und darin bestand ein grundlegender Unterschied. Für das terranische Denken war außer Macht so gut wie alles ersetzbar. Im Gegensatz dazu waren Darkovaner die reinsten Hamster, die alles aufhoben und benutzten, bis es völlig verschlissen war.
    Herm hatte sich zwar an die Bequemlichkeit des Lebens in der Föderation gewöhnt, aber nie ganz wohl dabei gefühlt, Er fand es überspannt, einen tadellosen Gegenstand wegzuwerfen, nur weil ein neuerer auf dem Markt war. Er zog die weichen Bettlaken aus echtem Leinen solchen aus Papiertuch vor, auf denen er dreiundzwanzig Jahre lang geschlafen hatte, und der schwache Altersgeruch in den Steinen und dem Putz der Wände, die mit dem Holzrauch und den Jahreszeiten von Jahrhunderten gesättigt waren, war ihm lieber als der sterile Geruch einer typischen Wohnung in der Föderation. Es gefiel ihm zu Hause, aber es war nicht Katherines Zuhause, und ihr musste das alles sehr merkwürdig vorkommen. Auf Renney waren die Häuser aus Holz statt aus Stein, und Burgen waren buchstäblich unbekannt. Dagegen konnte er allerdings nichts unternehmen, außer sie mit ihrem Sohn nach Renney zurückkehren zu lassen. Und dieser Gedanke erschien ihm nicht nur unerträglich, es war nach allem, was er bei dem Treffen eben erfahren hatte, wahrscheinlich auch nicht mehr möglich.
    Katherine schnäuzte sich mehrmals. „Verzeih mir, Liebster. Aber immer wenn ich glaube, ich hätte mich im Griff, geht wieder alles in die Brüche. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass Terese weggeht – sie ist doch noch ein Kind, Und ehrlich gesagt, hoffe ich, sie besitzt überhaupt keine Gaben und ist einfach weiter ein ganz normales Mädchen.“ Sie zögerte, und Herm sah die Angst und den großen Kummer in ihren wunderschönen Augen. „Natürlich können ganz normale Mädchen hier Gedanken lesen und … weiß die Göttin, was

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