Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
verlassen hat?«
»Wie bitte?«, entgegnet Gretta, sagt dann aber: »Nein.« Um es danach noch weiter abzuschwächen. »Ich weiß es nicht.«
Aoife runzelt die Stirn. »War es eine ernste Sache? Ich meine, waren sie und Dad vorher verlobt oder so etwas?«
Gretta bewahrt ihre reglose Miene.
»Mum? War Dad mit dieser Frau verlobt, ehe sie mit Frankie abhaute?«
Gretta rührt sich nicht – als könne sie schon die kleinste Bewegung verraten.
»Sie waren verheiratet«, sagt Monica leise.
Gretta schließt die Augen.
»Dann haben sie sich also … scheiden lassen?«, fragt Aoife, wobei die beiden letzten Worte ihr nur noch geflüstert über die Lippen gehen, denn in Grettas Gegenwart ist das so üblich. Für Gretta ist Scheidung wie eine tödliche Krankheit, die man sich schon einfängt, wenn man sie nur laut ausspricht, ganz besonders nach der Scheidung ihrer eigenen Tochter.
»Das … das weiß ich gar nicht.«
Aoife lehnt sich nach vorn. »Du weißt es nicht?«
»Nein.«
»Aber warum nicht?«
»Weil … weil wir nie … nie darüber geredet haben.«
»Ihr habt nie darüber geredet?«
»Nein.«
»Kein einziges Mal?« Aber Aoife prescht zu schnell vor, das erkennt Monica genau. Noch ein falsches Wort, dann fliegen die Fetzen, und Gretta kann sich hinter ihren Zorn zu rückziehen und ist vor weiteren Fragen geschützt. Monica signalisiert Aoife, von Gretta abzulassen, wird aber ignoriert. »Willst du damit sagen, du hast mit Dad nie über seine erste Ehe gesprochen? Hattest du gar keine Fragen, als er dir davon erzählte? Warst du denn gar nicht neugierig?«
Gretta fummelt wieder an ihrem Kragen und starrt auf den Spiegel an der Wand. Ihr Mund ist ein gerader Strich. Monica spürt, dass der Druck im Kessel steigt, und das muss sie unbedingt verhindern. Wenn die beiden sich fetzen, war alles umsonst.
»Er hätte es ihr sowieso nicht gesagt, das merkst du doch«, sagt sie zu ihrer Schwester, worauf Aoife ihre Mutter beinahe erschrocken anguckt. »Er hätte es dir nicht gesagt, Mammy? Es war gar kein Thema bei euch?«
Gretta schlägt mit dem Taschentuch nach ihnen. Tränen quellen und laufen ihr über die Backe, und Monica kann sich wieder etwas entspannen. »Nein, Schatz«, schluchzt Gretta. »Nein, das wollte er nicht. Ich habe gefragt und gefragt, aber er hat mir nie etwas verraten.«
»Und wie bist zu trotzdem dahintergekommen?«
»Durch einen Priester, aber erst Jahre später.«
Monica geht auf ihre Mutter zu und nimmt sie in den Arm. »Schon gut, es ist okay. Nicht weinen. Alles wird gut.« Sie sagt das mehrmals, als müsse sie sich selber davon überzeugen.
»Aber wo ist er bloß? Wohin ist er gegangen?«, sagt ihre Mutter mit tränenerstickter Stimme.
»Wir wissen, wo er steckt. In Connemara, in diesem Ordenshaus zur heiligen Assumpta.«
»Glaubst du, Frankie ist auch da?«, flüstert Gretta. »Meinst du, das Geld ist dorthin gegangen? Damit die Nonnen ihn pflegen?«
»Das ist durchaus möglich. Aber das finden wir noch heraus.«
Darauf bricht Grettas ganzer Schmerz erst richtig hervor, und sie weint hemmungslos. »Was hätte ich denn machen sollen. Ich war so jung und ganz allein in der großen Stadt. Ich wollte es eigentlich nicht, aber er meinte, an manchen Sachen ließe sich eben nichts ändern.«
Monica schaut auf ihre Geschwister, und sie schauen auf sie. Michael Francis ist entsetzt und will nur, dass diese Szene vorbei ist, doch Aoife macht schon wieder ihre schmalen Augen.
»Was soll das heißen?«, fragt sie. »An manchen Sachen ließe sich nichts ändern? Welche Sachen?«
»Na ja, diese Ehe eben.«
Monica ist sich nicht sicher, ob sie ihre Mutter richtig verstanden hat, aber sie sieht den Rosenkranz in ihrer offenen Handtasche, und ihr kommt ein Gedanke. »Meinst du, er hat sich von dieser Frau scheiden lassen? Und dass es eine Sünde ist, erneut zu heiraten? Mammy, heutzutage lassen sich doch alle scheiden. Ich weiß, wie schwer es für dich war, als ich mich … du hast dich darüber furchtbar aufgeregt, aber so wie früher ist es nun mal nicht mehr. Du solltest umdenken.«
»Nein«, schluchzt Gretta. »Das verstehst du nicht.«
Monica hat immer noch den massigen Körper ihrer Mutter im Arm. Sie fühlt sich überfordert, erschlagen von dieser Situation und wäre jetzt viel lieber im Hinterzimmer von Peters Werkstatt. Dort unter einem großen Dachfenster steht eine alte Chaiselongue, und wenn man sich auf diese Chaiselongue legt, kann man direkt in den Himmel sehen, auf
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