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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Michael Francis wartet. Auch die hinzugetretene Claire wartet.
    »Aber das ist alles schon so lange her«, erklärt Gretta und schluckt eine Tablette. »Ich erinnere mich ja selbst kaum noch daran.«
    »Erzähl uns einfach, was du noch weißt«, sagt Aoife.
    »Die Sache ist die …«, sagt Gretta und tupft sich abermals die Stirn. »Es ist ja gar nicht meine Geschichte, sondern die eures Vaters, und ihm ist es sicher nicht recht … ich meine, er käme nicht im Traum auf die Idee … und ich auch nicht. Es ist irgendwie nicht richtig, dass ich euch alles erzähle.«
    »Ob richtig oder falsch, ist hier nicht mehr wichtig«, mel det sich Monica und lehnt sich nach vorn. »Dad ist ver schwunden. Sag uns, was du weißt, dann sehen wir weiter.«
    »Ich kann doch nicht einfach … so einfach ist das nicht …«, windet sich Gretta und macht ein problematisches Gesicht. Als wolle sie wenigstens noch ein bisschen Zeit gewinnen, um zu entscheiden, welche Version sie vor ihren Kindern für geeignet hält. »Denn es gab böses Blut zwischen eurem Vater und seinem Bruder.«
    Monica legt den Kopf zur Seite: »Weswegen?«
    »Ich weiß nicht«, wehrt Gretta ab und guckt zur Seite. »Es war lange vor meiner Zeit. Aber es war eine Tragödie, eine echte Tragödie.«
    Aoife hakt nach: »Warum? Was ist passiert?«
    »Es war … so genau weiß ich das nicht. Es war während des Kriegs, und es war eine politische Sache. Sie stritten sich über Politik. Euer Vater kämpfte ja für England, und Frankie war in IRA-Anschläge verwickelt. Zwischen 1942 und 1944 kam es in Nordirland immer wieder dazu und …« Gretta verstummt und rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Und?«
    »Und natürlich gab es auch noch anderen Streit.«
    »Was für Streit?«
    »Es ging um eine Frau. Kurz und gut, sie ist mit Frankie durchgebrannt.« Schweißperlen rinnen ihr über die Wange. »Und jetzt ist seine Gesundheit ruiniert, das hatte er davon. Also lasst euch das eine Lehre sein.« Gretta wedelt mit der Hand, als sei der Fall damit erledigt.
    »Eine Lehre, wieso?«, fragt Aoife.
    Gleichzeitig sagt Michael Francis: »Ich dachte, Frankie wäre tot.«
    »Wird man automatisch zum Pflegefall, nur weil man sich mit seinen Geschwistern verkracht?«, sagt Aoife.
    »Ja«, sagte Gretta mit Nachdruck. »Das heißt: nein. Das meinte ich gar nicht.«
    »Uns hast du aber gesagt, er wäre tot«, insistiert Michael Francis. »Und zwar nicht nur ein Mal.«
    »Jaja. Ich dachte, er wäre tot, das hat ja auch euer Vater gesagt. Aber dann erfuhr ich, dass das nicht stimmt.«
    »Frankie lebt also?«, sagt Michael Francis. »Unglaublich. Und wie lange weißt du es schon? Und warum hast du uns darüber im Unklaren gelassen? Wir haben also einen Onkel, dem wir noch nie begegnet sind. Das ist wirklich … ein Ding. Warum durften wir das denn nicht wissen? Und was hat es mit Dads Verschwinden zu tun?«
    »Sei still, Michael Francis«, zischt Monica. »Lass sie ausreden.«
    »Du verbietest mir nicht den Mund«, blafft er zurück.
    »O doch. Wenn ich es für richtig halte, werde ich dir auch …«
    »Nicht in meinem Haus!«
    »Jetzt fangt nicht schon wieder an zu streiten«, ruft Gretta. »Es ist das Letzte, das wir jetzt gebrauchen können. Wenn ich an früher denke, wie schön es da war, dann kann ich immer noch nicht fassen, wie alles so kommen konnte. Und dass ihr jetzt alle so …«
    »Also für mich ist das eine ausgemachte Schweinerei«, sagt Michael Francis. »Wir werden belogen, und dafür gibt es in meinen Augen überhaupt keine Entschuldigung. Wir haben einen Onkel, aber wir dürfen es nicht wissen. Na schön, er war in Irland in ein paar Sachen verwickelt, aber er gehört immer noch zur Familie. Er ist Dads Bruder, verdammt. Haben wir denn kein Recht, von ihm zu erfahren …«
    »Man weiß nicht, ob es wirklich stimmt, dass er an dem Anschlag beteiligt war«, ruft Gretta und richtet sich kerzengerade auf, denn für sie klingt es wieder nach einem dieser Pauschalurteile, denen sie unbedingt entgegentreten muss. »Es gibt einige, die seine Gefängnisstrafe für ein Fehlurteil halten, eine Verwechslung. Und ich dachte immer, dass wenigstens ihr …«
    Dann meldet sich wieder Aoife: »Was ist eigentlich mit der Frau, die mit ihm durchgebrannt ist? Weiß man etwas über sie?«
    Reptilienschnell dreht sich Grettas Kopf der neuen Gegnerin zu: »Was willst du damit sagen?«
    »Ich meine, was wurde aus ihr? Haben sie sich deswegen zerstritten? Weil sie Dad wegen Frankie

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