Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
erkennen kann, und schluchzt in ihre Hände. Peter lässt den Kadaver – ein schäbiges Bündel – in das Loch hinab. Er wendet sich um und umarmt die Kinder, und gemeinsam, alle vier, stehen sie da wie eine komplizierte Schicksalsgemeinschaft.
Monica kann es nicht länger mit ansehen, es geht einfach nicht. Sie muss sich etwas zu tun suchen, sich nützlich machen, sich eine Aufgabe stellen und sofort loslegen. Sie könnte eine Liste all der Leute erstellen, die vielleicht etwas über den Verbleib ihres Vaters wissen könnten. Sie glaubt nämlich nicht, dass er verschwunden ist. Ihm muss etwas zugestoßen sein. Ihr Vater würde sie nie einfach sitzen lassen, Monica hält das für ausgeschlossen.
Das Problem ist nur, sie kann jetzt nicht nach unten. Sie will den Mädchen nicht begegnen und sich ihrem vereinigten, geballten Zorn aussetzen. Und sie kann auch darauf verzichten, dass sich Jenny nach ihrem Vater erkundigt. Sie weiß, Peter hat ihr die Geschichte brühwarm erzählt. Das ist dreist. Aber darüber reden sie noch. Wie kann er es wagen, ihre Familienangelegenheiten vor dieser Frau auszubreiten? Sie soll sich da raushalten. Sie, Monica, macht es ja ebenso. Außerdem hat sie zu tun. Und das Haus betreten, das riskiert Jenny nicht, da ist sich Monica sicher. Warum sollte sie auch?
Doch erstaunlicherweise passiert genau das. Vom Flur aus dringt Jennys Stimme an ihr Ohr. Tröstende Worte für die Kinder. Und natürlich dürfen sie ihre dreckigen Sandalen ruhig anbehalten. Wie schockgefroren, eine Hand am Geländer, steht Monica am oberen Treppenabsatz und weiß nicht, wie ihr geschieht.
Jenny ist im Haus. Zum ersten Mal seit ihrem Auszug. Peter hat nie gesagt, dass so etwas passieren könnte.
Sie hört Jenny in der Küche. Hört, wie sie den Küchenschrank aufmacht. Natürlich weiß Jenny noch, wo alles steht. Jemand dreht den Wasserhahn auf. Tassen klingeln, sie hört beschwichtigendes Gemurmel, ein Kind weint noch. Das ist Jessica, oder? Jessica oder Florence? Angeblich erken nen Mütter ihr Kind am Weinen, aber das gilt wohl nicht für Stiefmütter.
Sie ist im Haus.
Monica spürt, wie ihr Körper den Schweiß aus jeder Pore presst. Es ist so verdammt heiß hier oben, nass und beengend klebt ihre Bluse unter den Achselhöhlen. Ihre Gelenke schmerzen in dieser starren Position, aber rühren kann sie sich nicht. Sie ist unfähig, sich ins Schlafzimmer zurückzuziehen, unfähig, nach unten zu gehen.
Als Michael Francis wieder die Küche betritt, sind die anderen fort. Ihn begrüßen ein leerer Tisch, schmutzige Teetassen sowie eine gefaltete Serviette. Aus dem Zimmer darüber hört er Schritte, die unzweifelhaft zu seiner Mutter gehören. Dieses dramatische Schlurfen, diese Darstellung eines scheinbar übermenschlichen Kraftakts, macht ihr keiner nach. Die Hintertür steht offen, und er sieht Aoife von hinten. Sie sitzt mit angezogenen Knien auf der Türschwelle, Zigarettenrauch kräuselt sich ungestört in die Höhe wie ein Signal, denn es regt sich kein Hauch.
Er setzt sich neben sie. Sie reicht ihm wortlos ihre Zigarette, doch er schüttelt den Kopf. Sie sieht ihn fragend an.
»Ich habe aufgehört«, sagt er.
Sie hebt die Brauen.
»Im Prinzip jedenfalls.« Er nimmt sich ihre Zigarette und zieht einmal daran. »Aber erzähl Claire nichts davon.«
Sie schnaubt verächtlich. Als ob sie so etwas täte! Er fühlt sich ihr auf einmal sehr nahe, denn sie ist die Einzige in der Familie, die nie ein Geheimnis ausplaudern würde. Jemanden wie sie zu haben ist eine enorme Entlastung, und er ist versucht, ihr von seinen Problemen mit Claire zu erzählen. Er weiß, sie würde ihm zuhören, Fragen stellen, wenn er nicht weiterwüsste. Sie würde nie dazwischenreden, nur mit leicht geneigtem Kopf zuhören. Erst ganz am Ende würde sie etwas sagen, das ihn … das ihn …
»Kommt Monica auch?«, fragt Aoife.
Er gibt ihr die Zigarette zurück, und dabei fallen ihm ihre abgekauten Nägel auf. Das wundert ihn, denn war es nicht Monica, die immer an den Nägeln kaute?
»Sie kommt später, glaube ich.« Er sieht sie an. »Sie hat wieder viel um die Ohren.«
Aoife grinst, als hätte sie sich schon so etwas gedacht.
»Heute wird ihre Katze beerdigt oder so etwas«, sagt er.
»Monica hat eine Katze?«
»Sie hatte. Aber ich glaube, es war eher Peters Katze.«
»Oh.« Sie zieht die Knie ganz nah an den Körper und legt ihr Kinn darauf. »Jetzt schau dir diesen Garten an«, murmelt sie.
Er lässt den Blick durch den
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