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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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warst hier, ich habe dich gesehen, du hast existiert, nur nicht lange.
    Als Aoife sie am folgenden Tag im Krankenhaus besuchte, beschäftigten sie diese Gedanken immer noch, und sie wollte Monica sogar sagen, wie es ausgesehen hatte mit seinem fragil gerundeten Rücken, den unerträglich fertig ausgebildeten Fingerchen. Aber die Gelegenheit ergab sich nicht, denn ihre Mutter hatte sich aufs Bett gesetzt und alles, was sie dabeihatte, ringsum ausgebreitet: Handtasche, Handschuhe, ihren Schal und diverse Schachteln. Und sie war wieder mitten in einer ihrer Schilderungen. »… Niemand weiß das, aber er trug es für den Rest seines Lebens an einer Halskette, dicht am Körper.«
    Ihr Vater stand am Fenster und starrte anscheinend gebannt auf die Lüftungsanlage des gegenüberliegenden Trakts. Joe saß besorgt auf dem Stuhl neben dem Bett und konnte Monicas Hand nicht loslassen.
    Monica lag wie aufgebahrt auf mehreren Kissen. Sie trug ein Nachthemd mit Satinschleifen und spitzenbesetzten Är meln. Sie hatte sich die Haare »gemacht«, wie sie immer sagte. Nur woher sie den Föhn und die Lockenwickler hatte, blieb ein Rätsel. Jemand musste ihr diese Dinge gebracht haben, denn Krankenhäuser führen so etwas normalerweise nicht. Oder doch?
    Löffelweise flößte Gretta ihrer Tochter Suppe ein. »Braves Mädchen«, sagte sie nach jedem Schluck, den Monica hinunterbekam. Und natürlich war sie mit ihrer Geschichte noch nicht zu Ende. Für Aoife hatte sie übrigens keine ausdrückliche Begrüßung übrig, sondern sagte nur: »Schau mal, wie gut es deiner Schwester schon wieder geht.«
    Vom Fenster sagte ihr Vater: »Wir gehen in neun Minuten.«
    Dann schob Monica den angebotenen Löffel weg und ließ sich stöhnend auf die Kissen zurücksinken. Gretta beugte sich nach vorn, strich ihr über die Stirn und fragte, ob sie Schmerzen habe und ob sie die Krankenschwester holen solle.
    An das Nächste erinnert sich Aoife so genau, als liefe in ihrem Inneren ein Film ab. Sie konnte nämlich nicht länger mit ansehen, wie sie immer aus diesem innigen Mutter-Tochter-Ding ausgeschlossen wurde. Ihr Blick fiel auf Monicas Mantel, den guten für sonntags, der jetzt an einem Stuhl hing, marineblau mit Persianerbesatz und Schlaufen statt Knopflöchern. Sie selbst hatte ihn mitgenommen, als die Sanitäter Monica nach unten trugen, denn vielleicht wurde Monica auf der Fahrt kalt. Joe streichelte Monicas Hand, und Gretta leckte den Löffel ab. Robert sah weiterhin aus dem Fenster, und Aoife dachte: Persianer? Hatte nicht neulich jemand gesagt, dass Persianer aus frühgeborenen Lämmchen gemacht wurden, absichtlich ausgelösten Frühgeburten. Auch die Manteltaschen waren, wie sie jetzt sah, von diesem lockigen, unfassbar weichen Fell eingefasst.
    Aoife blickte von dem Mantel auf Monica, die blass auf ihren Kissen lag, und wieder zurück zu dem Mantel. Ihre Eltern räumten ihren Kram und die Tupperdosen mit Essen zusammen.
    Zwischen Menschen, die einmal so eng zusammengelebt haben wie Aoife und Monica, existiert eine geradezu osmotische Beziehung. Allein Nacht für Nacht neben einem anderen zu schlafen, seine Luft zu atmen führt dazu, dass sich die Schaltkreise des Unbewussten miteinander vernetzen – und das ganz ohne Worte.
    Aoife sah ihre Schwester an, und so, wie Monica jetzt ebenfalls auf diesen Mantel blickte, war ihr mit einem Mal alles klar. Zweifel waren ausgeschlossen. Sie konnte nur nicht fassen, dass sie nicht schon eher darauf gekommen war. In der Hektik der Situation hatte sie nicht rational denken können, doch jetzt traf sie die Erkenntnis umso heftiger. Es war gar keine Fehlgeburt, kein Unfall, Monica hat es selbst getan.
    Die anderen verabschiedeten sich umständlich – die neun Minuten waren vorbei. Monica wurde mehrmals umarmt, und es gab ein kleines Drama, als Gretta ihren Schal nicht finden konnte. Er wurde schließlich unter dem Bett hervorgezogen und seinem rechtmäßigen Besitzer übergeben.
    Aoife stand neben der Tür und verfolgte das Spiel. Ihr Wissen lag schwer auf ihr, drückte ihr wie Asthma die Luft ab. Als Gretta ihre kranke Tochter ein letztes Mal in die Arme schloss, sah diese über die Schulter ihrer Mutter hinweg direkt zu Aoife.
    Aoife wich diesem Blick nicht aus. Die beiden Schwestern fixierten sich, bis sich Monica auf die Unterlippe biss. Dann wurde sie rot. Joe war aufgestanden, um Gretta und Robert nach draußen zu begleiten, doch Monica hielt ihn zurück. »Bitte, bleib bei mir«, sagte sie. Joe

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