Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman
Frau sagen: Ich wollte das doch alles nicht. Er wollte sagen: So war das doch gar nicht gemeint, und es tut mir ja auch leid. Nur beschwören mochte er es nicht.
Gretta ist im Schlafzimmer und zerrt allerlei Sachen vom Kleiderschrank, als sie Monica die Treppe hochkommen hört. Monica trägt wieder diese hochhackigen Riemchenschuhe, das erkennt Gretta an ihren vorsichtigen Trippelschritten. Dann hört sie, wie Aoife aus ihrem Zimmer rennt und gleich auf Monica losgeht. Gretta ist sichtlich sauer. Sie hatte gehofft, Aoife hätte sich hingelegt.
»Sag mal, was sollte denn die Bemerkung über mich und Joe«, schnauzt sie Monica an.
Pause. Gretta stellt sich vor, wie Monica die Frage an sich abprallen lässt: kühl, arrogant, mit fragend erhobener Braue.
»Welche Bemerkung?«
»Dass Joe und ich die dicksten Freunde gewesen wären. Was meintest du damit?«
»Aber es stimmt doch, oder?«
Erneut Schweigen. Gretta will von der Kiste steigen, die ihr als Trittleiter dient, will zur Tür schleichen und mithören, fürchtet jedoch, dass sie sich verrät und dass das, was sich jetzt auf dem oberen Treppenabsatz abspielt, plötzlich beendet sein könnte. Also bleibt sie, wo sie ist, verhält sich absolut still, lässt sogar die Hand auf der Hutschachtel, in der sie alte Kinderschuhe vermutet. Sie hat gedacht, dass Claire vielleicht noch Verwendung dafür hat. Einige Schuhe passen Hughie bestimmt. Der Junge hat große Füße, genau wie sein Vater.
»Monica, willst du damit sagen, Joe und ich … hätten mal was miteinander gehabt?«
»Habt ihr nicht?«
»Himmelherrgott, Monica, natürlich nicht. Wofür hältst du mich? Du spinnst jedenfalls total, wenn du glaubst …«
»Ich wollte nicht sagen, dass ihr …«, bringt Monica gepresst hervor. »Aber trotzdem, du hast ihm …« Sie kann nicht weiterreden.
»Wie bitte, sag das noch mal?«, entgegnet Aoife, wie immer laut und forsch. Dieses Mädchen war von der Minute seiner Geburt an laut gewesen. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester, die sich, wie ihr Vater, am liebsten in ihr Schneckenhaus zurückzog.
Was Monica dann sagt, sagt sie so leise, dass Gretta erst meint, sie habe sich verhört. Es klingt wie »Du hast es ihm gesagt.«
Komischerweise kommt darauf nicht das zu erwartende Widerwort »Was gesagt?« Keine Reaktion von Aoife. Gretta spitzt die Ohren, lässt die Hutschachtel los. Die Tatsache, dass Aoife darauf nichts zu sagen hat, trifft sie und löst eine Kaskade von Gedanken aus, die schließlich zu einem einzigen Verdacht zusammenlaufen. Ein Verdacht, der im Hintergrund schon immer da war, den sie aber nie klar formulieren wollte. Doch jetzt liegt alles deutlich vor ihr. Sie wischt mit der Hand über den Kleiderschrank und hat plötzlich eine Mottenkugel in der Hand.
»Ich habe es ihm nicht gesagt«, erwidert Aoife mit brüchiger Stimme. »Kein einziges Wort. Warum sollte ich?«
»Nun ja, einer hat es getan.«
»Nicht ich.«
Wie dichter Nebel quillt das Schweigen in Grettas Schlafzimmer. So dick, denkt Gretta, dass man die kalten Schwaden förmlich anfassen kann.
»Deswegen hat er dich also verlassen«, flüstert Aoife. »Weil er es rausgekriegt hat. Und du dachtest, ich hätte …«
»Er hat mich verlassen, weil du es ihm gesagt hast«, schrie sie, und Gretta würde am liebsten einschreiten. Würde zu ihr gehen, ihr die Hand auf die Schulter legen und sagen: Glaub mir, es war nicht deine Schwester. Aoife würde so etwas nie tun.
»Aber ich war es nicht«, sagt Aoife. »Ich schwöre.«
Gretta hört, wie sich Monica umdreht und die Treppe hinuntergeht. Aoife bleibt erst einmal stehen, geht dann ins Bad, wo sie irgendetwas tut, was Gretta nicht sieht, nicht einmal vor ihrem inneren Auge. Anschließend trinkt sie Wasser aus dem Hahn. Gretta hat ihr schon tausendmal gesagt, sie soll den Becher nehmen. Gretta hört, wie sie Toilettenpapier abreißt und irgendetwas murmelt. Komisch denkt Gretta, manche Angewohnheiten halten sich ein Leben lang. Dann kommt Aoife heraus und verschwindet in ihrem Zimmer, wobei die Tür knallt. Gretta hört das Quietschen der Bettfedern, als Aoife sich aufs Bett wirft. Auch bei diesem allzu bekannten Geräusch muss sie insgeheim lächeln.
Endlich kann sie von ihrer Kiste steigen. Sie setzt sich auf Roberts Stuhl. Der steife Kragen des Tweedjacketts drückt sich als kleines n in ihren Rücken. Erst zaghaft, dann immer heftiger wächst das Verlangen nach ihrem Mann, der jetzt bei ihr sein müsste. Nur mit jemandem, der ihre
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