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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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gekocht wird auch nur noch für eine Person. Dazwischen gereizte Telefongespräche mit Claire, um Verabredungen zu treffen, Zeiten und Orte auszumachen wie für ein Duell.
    Nein, das war undenkbar, das durfte nie geschehen.
    Trotzdem ist er völlig ratlos, wie sie von hier an weitermachen sollen. Ihr letzter Streit hatte sie an einen Punkt geführt, von dem es scheinbar kein Zurück gab.
    »Du bist wieder da?«, hatte sie gefragt, aber so überrascht, als sei seine Rückkehr das Exotischste auf der Welt. Dabei war er nur bei seiner Mutter gewesen, anschließend bei der Polizei und hatte Monica und Aoife zu erreichen versucht. Er kam also noch einmal vorbei, um ein paar Sachen einzupacken, denn er wollte in der Gillerton Road übernachten, seiner Mutter zuliebe, bis Monica und Aoife eintrafen. Er kam also zurück, und es war schon spät, und er hatte eigentlich gedacht, sie und er, sie könnten sich noch kurz aufs Sofa setzen und ein Bier trinken, Hand in Hand, so wie früher in der Zweizimmerwohnung in der Holloway Road, als sie noch keinen Fernseher hatten. Hughie, das kleine Bündel in der Babytragetasche, schläft in der Ecke, und sie sitzen auf dem Sofa und betrachten von dort ihr neues Leben. Das Erste, das ihm in der Anfangszeit an Claire auffiel, war ihre Stille. Er war an ein Haus voller Radau gewöhnt, wo Leute die Treppe hinunterbrüllten, mit Türen knallten und sich dann beschwerten: Weißt du, wie spät es ist? Wo sich immer jemand wütend in den Sessel warf oder mit der Teetasse auf den Tisch haute, und wo immer grundsätzlich mehr geredet wurde, als nötig war. Die erste gemeinsame Wohnung mit Claire glich der stillen Kühle auf einer einsamen Bergstation – nach stundenlanger Fahrt in einem völlig überfüllten Zug.
    Er kam also noch einmal nach Hause, nur um die sanfte Berührung ihrer Finger zu spüren … oder war das etwa zu viel verlangt? Es war spät, und die Kinder lagen schon im Bett, und seine Mutter hatte stundenlang nur geweint, und er wollte sich doch nur kurz zu ihr aufs Sofa setzen, mehr nicht, so wie früher. Doch Claire hielt sich in der Küche auf und schnitt Kräuter in eine Pfanne mit einer blubbernden Soße. Sie trug eine Schürze über ihrem besten Kleid, ein Paisley-Teil mit eingearbeitetem Mieder, das er schon immer an ihr gemocht hatte. Sie trug dunkelroten Lippenstift und ihre Armreifen, die bei jeder Bewegung des Kochlöffels klirrten. Es roch verführerisch nach Rinderfond, Wein und Knoblauch. Schmerz zuckte auf bei der Erinnerung an eine Zeit, in der sie für ihn dieses Kleid getragen, Lippenstift aufgelegt und so ein Essen gekocht hatte.
    »Das riecht aber gut«, sagte er.
    Schon wie sie aufblickte, zeigte ihre Verärgerung. Dann sagte sie: »Du bist wieder da?«
    Dabei hatten sie vorher telefoniert. Nicht nur, weil er sie auf dem Laufenden halten wollte. Mehr noch wollte er sich selbst damit beruhigen, dass er außer seiner alten Familie eben auch eine neue Familie hatte und dass diese Familie noch da war. Und Claire hatte doch so besorgt nach seinem Vater gefragt, hatte mitgelitten und gesagt: Deine arme Mutter! Was sie normalerweise nicht oft tat.
    Doch war jetzt alles anders, und der Anrufer von vorhin, er selbst nämlich, war seltsamerweise nicht mehr willkommen. Und die Frau, die eben noch gesagt hatte: Aber sag mir sofort Bescheid, wenn es irgendetwas Neues gibt … dieselbe Frau war plötzlich schick angezogen, und der Tisch war mit dem Silberbesteck gedeckt und richtigen Servietten, dieselbe Frau sagte jetzt, ihr sei nicht klar gewesen, dass er heute Abend auch da sei, und es täte ihr leid, aber ihre Arbeitsgruppe käme heute, um in gemütlicher Runde über ein paar Sachen zu diskutieren.
    »Du meinst, heute noch?«, entgegnete er und lehnte sich erschöpft an den Türrahmen, da allein dieser Türrahmen ihn jetzt noch auffangen konnte. »So spät?«
    Claire befeuchtete ihre Lippen und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Tut mir echt leid, Mike, aber ich bin nicht davon ausgegangen, dass du heute Abend hier bist. Wenn ich gewusst hätte … Ich meine, bei uns ist eben am meisten Platz. Und als ich sagte, du wärst heute Abend nicht da, da meinten die anderen, warum wir uns nicht hier treffen …«
    »Immer die scheiß anderen! Die anderen sagen, die anderen meinen!«, platzte es aus ihm heraus, weil er schon den ganzen Nachmittag die Hand seiner Mutter halten musste, weil sein Vater weg war, was bereits über seinen Verstand ging, aber sei’s drum. Er

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