Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
an mir hängen.«
    In dem Ton geht es noch eine Weile weiter, bis Michael Francis aufsteht und seine Hilfe anbietet. Niemand ist durch Vorwürfe so leicht zu beeindrucken wie er. Ein Kinderspiel. Aoife auf der anderen Seite verdreht nur die Augen und lehnt sich abschätzig zurück. Also gibt es auch keinen Grund anzunehmen, sie hätte es Joe nicht gesagt, denkt Monica. Aber das denkt sie jetzt schon so lange. Aoife hat ihre Ehe zerstört, und der Schmerz darüber ist mittlerweile das bestimmende Element ihres Seelendramas. Es muss so gewesen sein. Denn wenn sie es nicht war, wer dann? Eine Krankenschwester auf der Station? Oder ist er von selber darauf gekommen?
    Dann die Sache in Michael Francis’ Küche. Sie denkt nicht gern daran zurück, erinnert sich eigentlich auch nicht mehr deutlich daran, denn die ganze Zeit damals war ein einziges Durcheinander. Hat sie ihrer Schwester wirklich diese hässlichen Sachen an den Kopf geworfen? Sachen, die besser ungesagt bleiben und die immer noch zwischen ihnen stehen? Nein, das kann nicht sein. Und doch ahnt sie, dass es genau so war. Sie hat Aoife die Schuld daran gegeben, was nach ihrer Geburt mit Gretta geschehen ist. Kann das wahr sein?
    Sie hat jetzt das Bedürfnis, mit Aoife zu sprechen, weiß aber nicht, wie sie anfangen soll. Dieses Bedürfnis ist neu, sie weiß auch nicht, woher es kommt, sie weiß nur, dass es da ist: Sie will endlich wieder eine Verbindung aufbauen.
    Stattdessen sagt sie: »Habt ihr das hier gesehen?«, und drückt Michael Francis die Scheckbuchbelege in die Hand, aber so schroff, dass sie ihm beinahe zu Boden fallen. »Nein«, sagt er. »Was ist das?«
    Monica blitzt ihn an. »Scheckbelege«, erklärt sie.
    »Das sehe ich, aber …«
    »Dann guck mal genauer hin«, sagt Monica und marschiert triumphierend zum Fenster, wo sie so tut, als blicke sie in den Garten. Dann dreht sie sich um: »Siehst du das? Da ist eine monatliche Zahlung von zwanzig Pfund. Empfänger ist eine gewisse Assumpta.«
    Ihr Bruder und ihre Schwester sehen sie mit großen Augen an. Sie empfindet Genugtuung, ohne zu wissen, worüber.
    »Die Zahlungen reichen zurück bis …« Sie nimmt sich einen Beleg aus Michael Francis’ Hand. »Keine Ahnung, wie weit sie zurückreichen, eine Ewigkeit, soweit ich erkennen kann. Eigentlich immer schon. An jedem Ersten des Monats stellt er Assumpta einen Scheck aus, hier siehst du?« Sie hält das Beweisstück erst Michael Francis, dann Aoife unter die Nase. »Zwanzig Pfund, an jedem Monatsanfang.«
    »Du lieber Gott«, murmelt Michael Francis. Er setzt sich aufs Bett, schichtet die Abrisse zu einem ordentlichen Stapel zusammen und geht sie nacheinander durch.
    »Kennen wir jemanden namens Assumpta?«, fragt Monica.
    »Ich glaube nicht«, sagt Michael Francis. »Nicht dass ich wüsste. Aber gab es da nicht eine Cousine von Mum, die so hieß?«
    »Assumpta klingt mir eher nach Nonne«, äußert sich Aoife im Hintergrund.
    Was ignoriert wird.
    »Wer?«, fragt Monica.
    »Weißt du nicht mehr, auf dieser kleinen Farm in Galway, alles kaputt, aber voller Hunde. Überall waren Hunde.«
    »Stimmt, ich erinnere mich«, sagt Monica.
    »Ich nicht«, sagt Aoife.
    »Hieß die nicht Assumpta?«
    »Assumpta, Assumpta …«, probiert Monica. »Wirklich, hieß sie so?« Sie schließt die Augen, versucht, sich die Küche vorzustellen, die Hunde, die einem ständig vor die Füße liefen und die praktisch das ganze Haus besetzt hatten, es sich sogar auf den Möbeln bequem machten. »Nein, sie hieß Ailish. Außerdem war sie damals schon hundert Jahre, die lebt heute garantiert nicht mehr.«
    »Verdammte Scheiße, was ist das denn?«, sagt Michael Francis und kommt aus dem Blättern nicht heraus. »Verdammte Scheiße, das hört ja gar nicht mehr auf.«
    »Ich weiß.«
    »Jeden Monat. Meinst du, das bedeutet …«
    Und wie der Geist in Hamlet meldet sich Gretta von unten: » MICHAEL FRANCIS, NICHT DIESE WORTE IN MEINEM HAUS! «
    »Ich wüsste nicht, was es sonst bedeuten sollte«, sagt Monica.
    »Meinst du, er ist mit dieser Assumpta durchgebrannt, wer immer sie auch ist?«
    »Ich weiß nicht«, sagt Aoife. »Würde er so etwas wirklich tun?«
    » HABT IHR MICH VERSTANDEN? «, donnert Gretta.
    »Keine Ahnung«, sagt er. »Aber es sieht nicht gut aus. JA, WIR HABEN DICH VERSTANDEN!«
    Alle drei holen tief Luft und sehen sich an.
    »Auf jeden Fall müssen wir es ihr sagen«, sagt Aoife.
    »Aber noch nicht gleich«, mahnt Monica.
    »Sie hat recht, warten wir ab.

Weitere Kostenlose Bücher