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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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soll ich glauben?«
    »Dass da unten Teufel wohnen.«
    »Ich …«
    »Also ich glaube das nicht«, sagt er dankenswerterweise.
    »Ich auch nicht. Und ich weiß auch nicht, ob sie überhaupt Auto fahren können.«
    Darauf sieht er sie mit einer Vertrauensseligkeit und zugleich mit einer Klugheit an, die ihr beinahe die Tränen in die Augen treiben.
    »Kommt Opa bald wieder?«, fragt er.
    »Ich weiß es nicht«, sagt Monica. »Aber ich sage dir eins: Wenn sie nicht bald aufhören, sich darüber zu streiten, wer mit wem wohin geht, dann kriege ich einen Schreianfall.«
    Hughie ist beeindruckt und sogar ein bisschen geängstigt, und Monica geht ins Haus, wo man sich inzwischen darauf verständigt hat, dass Claire, die vor einiger Zeit eine bedauernswerte Frisurentscheidung getroffen hat, Gretta herholen soll.
    Die Idee dahinter: Claire gehört nicht zur engeren Familie, bei ihr zieht Grettas Ablenkungstaktik in Form von erhöhtem Tablettenkonsum, Kopfschmerzattacken, Weinkrämpfen nicht, und das könnte sich als Vorteil erweisen. Vor Claire mit dem feinen Englisch und dem Schwiegertochterbonus könnte sie einknicken und auf diese Weise zur großen Familienaussprache gelockt werden.
    Dann treten sie alle vors Haus und verabschieden Claire für ihre Mission.
    »Aber sag ihr nicht, was wir vorhaben«, sagt Michael Francis durch die offene Seitenscheibe.
    »Keine Sorge«, sagt Claire.
    »Erwähne nicht einmal das Wort Familienkonferenz«, sagt Monica.
    »Tu ich nicht.«
    »Sag, wir treffen uns zum Tee«, rät Aoife. »Sag ihr, du willst sie nur zum Tee abholen.«
    Claire nickt. »Ich hab’s begriffen.«
    »Gute Idee«, sagte Michael Francis. »Tee zieht immer.«
    »Wiedersehen, Mammy«, ruft Vita und tanzt über den Bürgersteig, denn das alles ist ziemlich aufregend.
    Als Claire losfährt, läuft Hughie noch eine Strecke neben dem Wagen her und winkt, während Michael Francis ihm hinterherbrüllt, er solle sich Schuhe anziehen, verdammt noch mal.
    Als Gretta erscheint, sind alle mehr oder weniger angezogen. Bis auf Vita, die nackt durch den Garten rennt, und Hughie, bei dem es Monica nicht beurteilen kann, weil er in seinem Indianerzelt sitzt. Monica und ihre Geschwister haben sich im Wohnzimmer versammelt, das sich in seinem Erscheinungsbild, wie Claires Frisur, seit dem letzten Mal nicht gerade verbessert hat. Die Möbel stehen kreuz und quer, der Kaminsims ist abgeräumt, und sämtliche Kissen stapeln sich in einer Ecke.
    Erst einmal gibt es ein großes Hallo. Die Kinder kommen angelaufen und werfen sich ihr an den Hals, was Monica in dieser Offenheit doch etwas überrascht. Vita hängt sich gleich an ihren Rocksaum und kräht: »Oma, Oma!«, und Hughie springt um sie herum und ruft etwas von Murmeln.
    Von da an lässt Monica sie nicht mehr aus den Augen, obwohl ihre Mutter sie keines Blickes würdigt, was schon verdächtig ist. Gretta wirkt entschlossen, eisern. Kampfbereit wäre das richtige Wort. Ausnahmsweise trägt sie auch keine Lockenwickler, sondern hat sich die Haare gemacht, sogar Lippenstift aufgelegt. Und sie trägt ihr gutes Kleid und richtige Schuhe.
    Spätestens die Schuhe verraten sie. Gretta meidet Schuhe, wenn es nur irgendwie geht, besonders bei dieser Hitze. Schon immer litt sie an geschwollenen Fußgelenken, entzündeten Ballen, Plattfüßen, Hühneraugen, Fersen- und Zehenschmerzen. Ihre Füße, sagt sie, sind ihr Kreuz. Deshalb bewegt sie sich am liebsten in Pantoffeln oder bequemen Schlappen und zieht feste Schuhe nur zu besonderen Gelegenheiten an. Die Tatsache, dass sie sich heute in Sandaletten gezwängt hat, sagt Monica eines: Gretta ist noch nicht geschlagen und wird kämpfen bis zum Letzten.
    Gute fünf Minuten lang redet nur Gretta. Eine ganze Litanei, angefangen bei den Kartoffeln, die sie gerade schälen wollte, über Leute, die angerufen haben, bis hin zu dieser Hitze und der allgemeinen Nutzlosigkeit der Londoner Polizei, wenn man sie mal braucht. Sie kann allerdings keinem ihrer Nachkommen dabei in die Augen sehen.
    Natürlich ist es Aoife, die ihr die Tour vermasselt.
    »Mammy«, unterbricht sie ihren Sermon darüber, wer bei ihr wo und wie lange geschlafen hat, »hast du irgendeine Ahnung, warum Dad in dieses Rounddingsbums gefahren ist?«
    »Roundstone?« Gretta strahlt ein seltsam verkorkstes Lächeln ab und wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Nacken. »Ehrlich, das ist mir schleierhaft.«
    Monica beugt sich leicht nach vorn, um sich nicht die kleinste Veränderung

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